Kalle Blomquist
zusammen und legte sie in eine Zigarettenschachtel, die er in seine Tasche steckte. »Das ist ein Indizium – versteht ihr?« sagte er erklärend zu Anders und Eva-Lotte.
Es war drückend heiß in der Sonne. Anders, Kalle und Eva-Lotte keuchten. Sie wagten nicht, die gewöhnliche Treppe wie sonst zu benutzen, um zur Ruine hinaufzugehen, weil sie nicht riskieren wollten, die drei Juwelendiebe zu treffen.
»Das wäre wirklich unangenehm«, sagte Kalle. »Sie könnten uns verdächtigen, und das wäre das Schlimmste, was uns passieren könnte. Denn der Redig sieht nicht so aus, als ob er dulden würde, daß jemand sich in seine Angelegenheit mischt.«
»Nee, ich glaube nicht, daß sie noch da sind«, sagte Anders.
»Ich glaube, die kriegten’s mit der Angst zu tun, als sie sahen, daß die Juwelen fort waren. Wenn Onkel Einar sie nicht auf eine falsche Spur geführt hat!«
Es war mühsam, den steilen Abhang hinaufzuklettern. Aber es war notwendig, wenn man nicht die Treppe benutzen wollte.
Man mußte klettern und kriechen und sich am Gebüsch festhal-ten und sich gegen Steine stemmen. Und warm war es, schrecklich warm! Eva-Lotte begann hungrig zu werden. Sie hatte keine Zeit gehabt, etwas zu essen, bevor sie von zu Hause fortging, sie hatte nur ein paar Brötchen in ihre Kleidertasche gesteckt.
Da lag die Ruine. Es war einer der Vorteile, wenn man nicht die Treppe benutzte, daß man oben hinter der Ruine ankam und sich vorwärts schleichen und vorsichtig um die Ecke sehen konnte, falls sich etwas Gefährliches zeigte. Aber alles war ruhig. Die Hummeln summten wie immer, die Heckenrosen duf-teten wie immer, die Tür zum Keller war verschlossen wie immer.
»Was ich gesagt habe! Sie sind weg! Daß wir sie nicht gestern abend verhaftet haben, wird mich bis an mein Lebensende ärgern«, sagte Anders.
»Wir müssen in den Keller runtergehen und sehen, ob wir Spuren von ihnen finden«, sagte Kalle und holte den Dietrich hervor.
»Du gehst mit dem Dietrich um wie der schlimmste Einbrecher«, sagte Anders voller Bewunderung, als die Tür aufging.
Alle drei drängten sich auf einmal die Treppe hinunter. Im selben Augenblick hörte man einen gellenden Schrei, der die ganze Ruine erfüllte. Wer schrie, das war Eva-Lotte. Und weshalb schrie sie? Da lag jemand auf dem Fußboden. Onkel Einar lag dort. Seine Hände waren nach hinten gebunden und fest zu-sammengeschnürt. Seine Beine waren mit starken Stricken gefesselt. Und in den Mund war ein Taschentuch hineingepreßt.
Der erste Impuls der Kinder war, die Flucht zu ergreifen.
Onkel Einar war ja jetzt ihr Feind, das war ihnen klar. Aber ihr Feind war in seinem jetzigen Zustand vollständig wehrlos. Er starrte sie mit blutunterlaufenen Augen an. Kalle ging hin und befreite ihn von dem Taschentuch.
Onkel Einar stöhnte. »Oh, diese Lumpen, was die mit mir gemacht haben! Himmel, meine Arme! Nehmt mir die Stricke ab!«
Eva-Lotte wollte zu ihm hin. Aber Kalle hielt sie auf. »Einen Augenblick«, sagte er. Er sah äußerst verlegen aus. »Entschuldige, Onkel Einar, aber wir müssen wohl erst die Polizei holen.«
Er fand, daß es etwas ganz Unerhörtes war, daß er es wagte, so etwas zu einem Erwachsenen zu sagen.
Onkel Einar fluchte einen langen Fluch. Dann stöhnte er wieder. »Ach so, das seid ihr, denen ich das kleine Vergnügen hier zu verdanken habe! Das hätte ich mir denken können. Meisterdetektiv Blomquist!« Es war unangenehm, sein Stöhnen mit anzuhören. »Zum Teufel, steht nicht da und glotzt!« schrie er.
»Holt doch die Polizei, ihr Schnüffler! Aber ihr könnt mir wenigstens etwas Wasser geben!«
Anders lief, so schnell ihn seine Beine trugen, hinauf zu dem alten Brunnen auf dem Burghof. Da gab es klares, frisches Wasser und eine große eiserne Kelle, aus der man trinken konnte.
Onkel Einar trank, als ob er niemals vorher in seinem Leben Wasser gesehen hätte, als Anders die Kelle an seinen Mund führte. Aber dann fing er wieder an zu jammern.
»Oh, meine Arme!«
Das war mehr, als Kalle aushalten konnte. »Wenn du bestimmt versprichst, daß du nicht versuchst, dich zu drücken, dann können wir vielleicht den Strick von deinen Armen losmachen.«
»Ich verspreche, was ihr wollt«, sagte Onkel Einar.
»Und im übrigen hat es keinen Zweck, es zu versuchen, denn wenn einer von uns nach der Polizei geht, dann sind wir immer noch zwei, die Wache halten. Und deine Beine sind ja gebunden.«
»Dein Beobachtungsvermögen verdient alles Lob«, sagte Onkel
Weitere Kostenlose Bücher