Kalle Blomquist
Absperrung, und Anders ging geradewegs auf ihn zu. Er zog Kalle mit sich und stellte ihn vor Björk hin, so wie ein Hund einen apportierten Gegenstand hinlegt und dann auf ein Lob wartet.
»Onkel Björk, hier ist Kalle«, sagte er erwartungsvoll.
»Das sehe ich«, sagte Björk. »Und was will Kalle?«
»Lassen Sie ihn durch, damit er losschnüffeln kann«, forderte Anders. »Den Tatort des Verbrechens untersuchen …«
Aber Björk schüttelte den Kopf. Er sah ungemein amtlich aus. »Macht euch nach Hause, Jungen«, sagte er. »Geht nach Hause. Dankt Gott, daß ihr noch so klein seid und von alledem nichts begreift.«
Kalle errötete. Er begriff sehr gut. Er begriff, daß hier kein Platz war für den Meisterdetektiv mit den scharfgeschnittenen Gesichtszügen und den großen Worten. Wenn er das doch nur auch Anders begreiflich machen könnte!
»Typisch«, sagte Anders verbittert, als sie nach der Stadt zurückwanderten. »Und wenn du, seit Kain den Abel erschlug, jeden einzigen Mord aufgeklärt hättest – die würden niemals zugeben, daß ein Privatdetektiv etwas taugt.«
Kalle schüttelte sich vor Unbehagen. So ungefähr hatte er selbst viele Male geredet. Er wünschte von ganzem Herzen, daß Anders das Gesprächsthema wechseln möge. Aber Anders fuhr fort: »Früher oder später fährt sich die Polizei sicher fest. Bitte, versprich mir, daß du den Fall dann nicht eher übernimmst, bevor sie dich auf den Knien darum bitten!«
Das versprach Kalle bereitwilligst. Wehmütig wanderten sie weiter der Stadt zu. Sixtus, Benka und Jonte waren auch auf dem Heimweg von der Prärie. Vor einer Stunde hatte die furchtbare Nachricht sie erreicht, und sie waren auch zur Prärie gestürzt –nur um enttäuscht festzustellen, daß es ebensogut war, wieder nach Hause zu gehen. Gerade als sie zu diesem Entschluß gekommen waren, trafen sie Anders und Kalle.
Heute tauschten die Weißen und die Roten keine Gehässig-keiten miteinander. Die gewaltigen Krieger waren alle ziemlich still und sahen um die Nasen recht blaß aus. Gemeinsam trabten sie zur Stadt zurück und dachten mehr an den Tod, als sie es bisher in ihrem Jungenleben getan hatten. Sie fühlten tiefes Mitleid mit Eva-Lotte.
»Leid tut sie mir, wahrhaftig«, sagte Sixtus. »Sie sagen, daß sie total mit den Nerven runter ist. Liegt bloß da und heult.«
Anders wurde davon beinahe mehr ergriffen als von der übrigen Scheußlichkeit. Er schluckte einige Male. Es war ja seine Schuld, wenn Eva-Lotte dalag und heulte.
»Man müßte sich wohl um sie kümmern«, sagte er schließlich, »’ne Blume hinschicken oder so was …«
Die andern vier starrten ihn an, als ob sie ihren Ohren nicht trauten. War die Situation wirklich so ernst? Dem Mädchen Blumen schicken – er mußte davon überzeugt sein, daß Eva-Lotte verloren war. Aber je länger sie darüber nachdachten, desto nobler schien ihnen der Vorschlag. Eva-Lotte sollte eine Blume haben. Sie war es, ehrlich gesagt, wert.
Sixtus ging tief ergriffen nach Hause und klaute eine von den roten Pelargonien seiner Mutter, und, den Blumentopf zwischen sich tragend, zogen sie alle fünf zu Bäckermeisters. Eva-Lotte schlief und durfte nicht gestört werden. Aber ihre Mutter nahm ihnen die Pelargonie ab und stellte die Gabe der fünf in Eva-Lottes Zimmer.
Es war nicht die letzte Gabe, die Eva-Lotte für ihren Einsatz in diesem Drama bekommen sollte.
NEUNTES KAPITEL
Da saßen sie nun und warteten auf der Veranda, der nette Kriminalkommissar und Schutzmann Björk und noch einer. Es sei wichtig, daß das kleine Mädchen nicht nervös werde vor dem Verhör, meinte der Kommissar. Jedenfalls nicht noch nervöser, als sie schon war. Deshalb war es gut, Schutzmann Björk bei sich zu haben, der das Mädchen kannte. Und um dem ganzen Verhör den Charakter eines freundlichen kleinen Gesprächs zu geben, sollte es hier, in der Wohnung bei dem Mädchen, stattfinden, hier auf der sonnigen Veranda und nicht auf dem Polizeirevier. Eine fremde Umgebung wirkt immer beunruhigend auf Kinder, fand der Kommissar.
Während sie warteten, brachte Frau Lisander starken Kaffee und frisches Gebäck. Es war ein wundervoller Morgen. Die Luft war frisch und klar nach dem gestrigen Gewitter. Die Rosen in des Bäckermeisters Garten sahen wie frisch gewaschen aus, und die Meisen und Buchfinken zwitscherten munter in dem alten Apfelbaum.
Der Kommissar nahm das dritte Gebäckstück und sagte:
»Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, daß wir sehr viel aus dem
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