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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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der Geruch nach Blut und Innereien war so stark, dass ich mir die Nase zuhielt.
    Zum Ausgang war es nicht weit. Die warmen Pflastersteine im Sonnenlicht waren glitschig vom Blut, das aus dem Stand floss; meine Rocksäume hatten sich vollgesogen. Mein Ekel verflüchtigte sich rasch, denn nur wenige Schritte entfernt wartete eine andere Kutsche - schwarz und vorsichtshalber ohne Familienwappen, das den Besitzer verraten hätte. Die Tür ging auf, und wie durch Zauber, wie durch ein Wunder fand ich mich im Innern wieder, saß neben Giuliano, den Korb zu meinen Füßen.
    Der Fahrer spornte die Pferde an. Die Räder quietschten, und wir entfernten uns in gemächlichem Tempo rumpelnd vom Schlachter, vom wartenden Kutscher, von meinem Vater und meinem Zuhause.
    Giuliano sah prächtig aus, unwirklich und vollkommen wie ein Gemälde. Er trug, wie es sich für einen Bräutigam gehörte, einen farsetto aus karmesinrotem, mit Goldfäden besticktem Samt und einen großen Rubin am Hals. Er starrte mich verwundert mit weit aufgerissenen Augen an
    - mich mit meinem schlichten Haar, dem durchsichtigen schwarzen Schleier, mit dem düsteren braunen Kleid, dessen Saum von Blut durchtränkt war -, als wäre ich eine exotische, verblüffende Erscheinung.
    Ich sprach rasch und atemlos; meine Stimme bebte unkontrollierbar. »Ich habe das Kleid, natürlich. Ich werde nach meiner Sklavin schicken, sobald die Sache erledigt ist. Sie packt gerade meine Habseligkeiten ...« Die ganze Zeit dachte ich: Lisa, du bist wahnsinnig. Dein Vater wird kommen und all dem ein Ende bereiten. Piero wird zurückkehren und dich aus dem Palazzo werfen.
    Womöglich hätte ich aus reiner Nervosität weiter geschwafelt, doch er ergriff meine Hände und küsste mich.
    Eine ungewöhnliche Empfindung packte mich, die im Bereich meines Nabels Wärme verbreitete. Der Topas, der schließlich auf den Prüfstand kam, versagte. Ich erwiderte seinen Kuss mit gleicher Inbrunst, und als wir am Palazzo eintrafen, waren unsere Haare und unsere Kleidung in Unordnung.
40
    Wäre mein Leben so gewesen wie das anderer Mädchen, hätte ein sensale, ein Vermittler, meine Ehe in die Wege geleitet, wahrscheinlich Lorenzo persönlich. Mein Vater hätte mindestens fünftausend Florin gezahlt und den Betrag im Hauptbuch der Stadt festhalten lassen, sonst hätte die Vermählung nicht stattfinden können.
    Nach Bekanntgabe der Verlobung hätte mein Bräutigam zu einem Mittagessen eingeladen, bei dem er mir im Kreis der Familie und vor Freunden einen Ring geschenkt hätte.
    An meinem Hochzeitstag hätte ich ein beeindruckendes Kleid getragen, entworfen, wie es Brauch war, von Giulia-no selbst. Im Gefolge meiner weiblichen Verwandten zu Fuß wäre ich auf einem weißen Pferd über den Ponte Santa Trinita zur Via Larga und dem Haus der Medici geritten. Vor meinem neuen Zuhause wäre eine Blumengirlande quer über die Straße gespannt worden, die ich nicht zu übertreten gewagt hätte, bevor mein zukünftiger Gemahl die Kette nicht durchtrennt hätte.
    Von dort wären wir zur Kirche gegangen. Nach der Zeremonie wäre ich dann zu Fuß ins Haus meines Vaters zurückgekehrt und hätte allein geschlafen. Und erst am folgenden Tag, nach einem rauschenden Fest, wäre die Ehe vollzogen worden.
    Für mich aber gab es keinen sensale; Lorenzo war tot, und ich würde nie erfahren, welcher Mann seiner Meinung nach am besten zu mir passte. Wir hatten nur Giulianos Entschlossenheit und Sehnsucht, sowie die meine.
    Was die Mitgift betraf, so hatte Lorenzo, und nicht mein Vater, sie vor langer Zeit gezahlt - obwohl Giuliano durch seine Beziehungen zur Regierung den Betrag als von Antonio di Gherardini stammend hatte eintragen lassen. Ich bezweifelte nicht, dass mein Vater die Summe aus dem Hauptbuch hätte streichen lassen, wenn er von dem Betrug erfahren hätte.
    Mein Kleid hatte ich selbst entworfen. Ich hatte es drei Jahre zuvor getragen, als ich in den Palazzo Medici ging: ein Gewand mit Röcken aus dunklem, blaugrünem Samt mit einem Muster aus Satinranken und ein Mieder aus demselben Stoff mit Einsätzen aus hellgrünem Damast. Ich war in der Zwischenzeit gewachsen, und Zalumma und ich hatten heimlich hektische Veränderungen vorgenommen, hatten Rock und Ärmel verlängert und das Mieder ausgelassen, damit es nun zum Körper einer Frau passte.
    Ich ritt nicht auf einem weißen Pferd, wurde nicht von weiblichen Verwandten begleitet - nicht einmal von Zalum-ma, die am besten gewusst hätte, wie meine Nerven

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