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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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seiner Bewegungen genau zu verfolgen. Sie hatten die Anweisung, König Karl mitzuteilen, Florenz heiße die Franzosen willkommen, einerlei, was Piero dazu sage.
    Bis zum vierten November wusste jeder Bürger, dass Piero auch ohne gutes Zureden die Festungen Sarzana, Pietrasanta und Sarzanella an Karl ausgeliefert hatte. Mein Vater war wütend. »Hundert Jahre!«, wütete er und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Teller klapperten. »Hundert Jahre haben wir gebraucht, um jene Gebiete zu erobern, und er hat sie an einem einzigen Tag verloren!«
    Die Signoria war nicht weniger zornig. Bei derselben Mahlzeit erfuhr ich, dass die Prioren beschlossen hatten, einige Gesandte nach Pisa zu schicken, um Karl dort zu treffen. Piero würde nicht dazu gehören - dafür Fra Girolamo.
    Bei diesen Nachrichten wurde mir vor Angst flau im Magen, aber meine Entschlossenheit geriet nicht ins Wanken, und meine Pläne standen nach wie vor fest.
    Am achten November fuhr ich allein in der Kutsche fort und ließ Zalumma unter dem vereinbarten Vorwand zurück, ihr sei nicht gut. Mein Vater war, wie es sich an einem Samstagmorgen für einen ordentlichen florentini-schen Herrn ziemte, ins öffentliche Bad gegangen.
    Der Fahrer brachte mich auf dem Ponte Vecchio über den Arno. Einige botteghe waren wegen des französischen Embargos geschlossen, ein paar Läden jedoch stellten trotz der Aussicht auf eine bevorstehende Invasion stolz ihre Waren aus, und auf der Brücke drängten sich Reiter, Fußgänger und Kutschen.
    Schließlich kamen wir auf den Markt; er war nicht so überfüllt, wie er hätte sein können, aber noch immer geschäftig. Die vier Ecken waren jeweils von einer Kirche markiert. Brunelleschis orangefarbene Ziegelkuppel beherrschte die Silhouette neben dem Turm auf dem Palazzo della Signoria. Hausfrauen mit ihren Dienerinnen und Männer, die einer Rasur bedurften, liefen umher. Ich hatte mein schlichtes, dunkles Gewand angezogen und den Topas um den Hals. Verborgen in meinem Mieder waren die Goldmedaillons als Glücksbringer. Ich hatte den Korb bei mir, den Zalumma gewöhnlich am Arm trug - obwohl ich ihn an diesem Tag mit einem Tuch abgedeckt hatte.
    Da waren die Barbiere mit ihren glänzenden Rasierklingen und Schüsseln voller Blutegel, die Apotheker mit ihren Pudern und Salben, die Obst- und Gemüsehändler, die ihre köstliche Ware besangen, der Bäcker mit seinen Kästen voll warmer, duftender Brotlaibe ...
    Und in der Ferne war der Stand des Schlachters mit den abgezogenen Hasen und gerupften Hühnern, die an den Füßen aufgehängt waren.
    Noch nie war mir dieser vertraute Platz so fremd vorgekommen.
    Bevor ich ausstieg, hatte ich dem Kutscher gesagt, dass ich den Schlachter aufsuchen würde, um Knochen für eine Suppe zu erstehen, obwohl wir dort schon seit Wochen nicht mehr waren.
    Ich bat ihn, an den Obst- und Gemüseständen auf mich zu warten. Der Kutscher ließ die Pferde anhalten und sah mir nicht einmal zu, als ich ausstieg und zum Schlachter ging - der rein zufällig außerhalb seiner Sichtweite war.
    Es war so einfach, wirklich - so schnell, so leicht, so furchterregend. Der Schlachter war ein guter Mann, ein frommer Mann, doch die Zeiten waren hart und unsicher. Er hatte seinen Preis, auch wenn er ahnte, woher der Beutel mit den Goldmünzen stammte.
    Als ich näher kam, scherzte er gerade mit einer jungen Frau, die ich schon oft an Markttagen getroffen hatte, obschon wir uns nie offiziell vorgestellt worden waren. Sie hatte ein hübsches Gesicht und wurde rot, als sie rasch eine Hand zum Mund führte, um einen fehlenden Schneidezahn zu verbergen.
    Bei meinem Anblick verblasste das Lächeln des Schlachters; er wickelte rasch einen dicken roten Ochsenschwanz in ein Tuch. »Buon appetito, Monna Beatrice; möge dieses Stück Fleisch Euren Gemahl in guter Form halten. Gott beschütze Euch!« Er wandte sich an die andere wartende Frau. »Monna Cecilia, verzeiht, ich habe etwas Dringendes zu erledigen, aber Raffaele wird sich Eurer annehmen .« Als sein Sohn das Hackbeil ablegte und nach vorn kam, um die Kundin zu bedienen, sagte der Schlachter lauter als nötig: »Monna Lisa. Hinten habe ich ein paar saftige Braten, von denen Ihr Euch einen aussuchen könnt. Kommt mit .«
    Er führte mich hinter den Stand durch einen provisorischen Vorhang, beschmutzt mit braunen Handabdrücken. Zum Glück war es dämmrig, sodass ich die dort hängenden Rümpfe nicht sah, doch ich hörte das Gackern der eingesperrten Hühner;

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