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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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seinen Vater vor mir . sein Haar ist weicher und lockiger, so wie das seines Vaters.«
    Leise lächelnd schaute er von seiner Staffelei auf.
    »Seht Ihr es auch?«, fragte ich unvermittelt.
    »Was?«
    »Wenn Ihr mich betrachtet, seht Ihr dann meinen Vater? Meinen leiblichen Vater?«
    Seine Miene verfinsterte sich und wurde undurchsichtig. Schließlich erwiderte er: »Ich sehe ihn. Vor allem aber sehe ich Eure Mutter. Ihr habt dieselbe Traurigkeit, die ich in ihr sah, als .«
    »Als wann? Seid Ihr meiner Mutter je außerhalb des Palazzo Medici begegnet?«
    Er blinzelte und schlug die Augen nieder. Er betrachtete das Porträt, nicht mich, als er antwortete. »Ich bin ihr begegnet, irgendwann, nachdem er gestorben war. In Santo Spirito.«
    Ich beugte mich interessiert vor. »Was habt Ihr auf der anderen Seite des Arno gemacht?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich hatte Aufträge in der ganzen Stadt, in vielen Kirchen. Ich wollte mit dem Dominikaner-Prior über ein Altarbild für eine Kapelle sprechen .«
    »Hat sie gebetet? Bei der Messe?«
    »Sie kam aus der Messe. Ihr Gemahl war nicht bei ihr, aber ihre Zofe .«
    »Zalumma.«
    »Die mit dem erstaunlichen Haar? Ich hätte es so gern gemalt ... Ja, ihre Zofe war bei Eurer Mutter, die mit Euch schwanger war.«
    Ich war hingerissen. »Wie hat sie ausgesehen?«
    »Schön. Und seelisch gebrochen«, sagte er leise. »Gebrochen und doch voller Hoffnung. Ihr wart der Grund für sie, weiterzuleben, glaube ich.«
    Ich wandte mein Gesicht dem mit Papier verhängten Fenster und dem trüben Licht zu.
    »Verzeiht«, sagte Leonardo und schaute wieder zu mir auf. »Ich wollte Euch nicht traurig machen.«
    Ich hob die Schultern, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. »Unweigerlich stelle ich mir die Frage, ob er sie wohl zu Giulianos Beerdigung hat gehen lassen?«
    »Er vermochte sie nicht aufzuhalten«, antwortete er so vehement, dass ich den Kopf drehte und ihn ansah.
    »Ihr habt sie dort gesehen?«
    »Ja.« Seine Wangen wurden rot.
    Ich dachte an die beiden dort - zwei Menschen, die denselben Mann liebten - und fragte mich, ob meine Mutter es gewusst hatte, ob sie jemals darüber gesprochen hatten. Ich wollte schon die nächste Frage stellen, doch Leonardo legte seinen Pinsel vorsichtig in eine kleine Schale mit Öl und trat hinter der Staffelei hervor. »Es ist fast eine Stunde vergangen; Ihr dürft nicht länger bleiben«, sagte er entschieden. »Madonna, ich werde für eine Weile nach Mailand zurückkehren. Ich bin meinem Gönner, dem Herzog, verpflichtet, und ich habe den Auftrag, das Letzte Abendmahl für ein Refektorium zu malen .«
    »Ihr geht fort?« Ich konnte meine Enttäuschung nicht verhehlen; ich stand auf. Salais feuchter schwarzer Umhang rutschte von meinen Schultern auf den Hocker.
    »Ich komme natürlich wieder, obwohl ich nicht genau sagen kann, wann. Unterdessen bleibt Salai hier. Ihr werdet so weitermachen wie gehabt, bis auf die Tatsache, dass Ihr nun ihm den Inhalt der Briefe berichtet, die Ihr findet. Und er wird ihn anschließend mir übermitteln.«
    »Aber . was ist, wenn Piero kommt? Was soll ich dann tun?«
    Er lächelte freundlich. »Wenn Piero kommt, müsst Ihr Euch nicht fürchten. Für Eure Sicherheit und für die Eures Kindes wird gesorgt sein.
    Bis dahin . kann es sein, dass Ihr vieles erfahrt, was Euch stört oder sogar wütend macht. Bitte habt Verständnis dafür, dass es vieles gibt, was ich Euch jetzt nicht sage, weil es die Gefahr für Euch erhöhen würde . und für die Menschen, die Ihr von Herzen liebt.«
    »Wenn Ihr nach Mailand zurückkehren müsst«, sagte ich, »und wir uns länger nicht mehr sehen . muss ich Euch um die Antwort auf den Brief bitten, den ich Euch vor langer Zeit geschrieben habe.«
    Er wusste genau, was ich meinte, zögerte aber mit der Antwort.
    »Der Mörder in Santa Maria del Fiore an dem Tag, an dem Giuliano starb«, soufflierte ich ihm. »Der erste Mann, der ihn angriff, der Mann, der entkommen ist. Mein Giu-liano, mein Gemahl, hat mir von ihm erzählt. Er sagte, Ihr hättet Lorenzo über diesen Mann in Kenntnis gesetzt. Ihr wärt in der Kathedrale gewesen, als Giuliano der Ältere ermordet wurde.«
    »Er trug ein Büßergewand«, antwortete Leonardo kurz angebunden. »Mit einer Kapuze. Ich konnte sein Gesicht nicht deutlich erkennen.«
    »Aber Ihr müsst einen Teil gesehen haben. Mein Giu-liano sagte, Ihr hättet ihn gesehen. Sein Onkel sei in Euren Armen gestorben.«
    »Ich . habe einen Teil gesehen. Doch das

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