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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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streitlustig, herrisch, mein Vater hingegen einfach unglücklich.
    Nach einem ungewöhnlich frühen und ausgedehnten Besuch eines Priors kamen Francesco und mein Vater eines Morgens zum Essen herunter. Ich saß am Tisch, Matteo wand sich auf meinem Schoß; ich hatte ihn noch nie zum Essen mit nach unten genommen, doch inzwischen war er fast zwei Jahre alt, und ich träumte davon, ihm beizubringen, mit dem Löffel zu essen. Als die beiden Männer erschienen, schlug Matteo fröhlich mit dem Besteck auf Francescos sorgsam polierten Tisch. Ich rechnete mit dem Unmut meines Gemahls, mit scharfen Worten, da er seit kurzem immer schlecht gelaunt war. Aber Francesco lächelte zum ersten Mal seit Tagen.
    Mein Vater stand neben ihm, finster dreinblickend und offensichtlich auf der Hut.
    »Wunderbare Neuigkeiten!«, rief Francesco und hob die Stimme, damit man ihn über Matteos Getrommel hörte; er war zu gut gelaunt, um sich von dem Lärm stören zu lassen. »Wir haben gerade einen Spion der Medici gefangen!«
    Mir verschlug es den Atem; ich setzte mich kerzengerade auf und wandte gerade noch rechtzeitig den Kopf ab, um Matteos wedelnden Armen auszuweichen. »Einen Spion?«
    Mein Vater spürte offenbar meine plötzliche Angst; er zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich neben mich. »Lamberto dell'Antello. Du hast schon von ihm gehört. Er war einer von Pieros Freunden«, sagte er ruhig, dicht an meinem Ohr. »Er ging sogar mit Piero nach Rom. Er wurde entdeckt, als er versuchte, mit einem Brief nach Florenz durchzukommen ...«
    Francesco stand uns lächelnd gegenüber; ich legte Mat-teo eine Hand auf den Arm, um ihn zu bremsen, und achtete nicht auf seine Unmutsäußerungen. »Ja, Lamberto dell'Antello. Er wurde gestern festgenommen und wird gerade verhört. Das ist das Ende der Bigi. Lamberto redet und gibt Namen preis.« Er ging Richtung Küche. »Wo ist Agrippina? Ich brauche etwas zu essen, und zwar schnell. Ich muss gleich in den Palazzo della Signoria. Sie halten ihn im Bargello gefangen.«
    »Hältst du es für sicher, nach draußen zu gehen?«, fragte ich fürsorglich, um den Schein zu wahren, und nicht etwa, weil ich mich um Francesco sorgte.
    »Es spielt keine Rolle - die Sache ist viel zu wichtig, um sie zu verpassen!« Er verschwand in der Küche. »Agrippina!«
    Sobald er außer Sichtweite war, betrachtete mein Vater mich mit fragendem Blick. Ich gab mir die größte Mühe, so zu tun, als interessierten mich die Neuigkeiten über Lamberto nur am Rande, als ließe ich mich gern von meinem zappelnden Kind ablenken. Ich versuchte es, doch ich vermutete, dass mein Vater meine Angst bemerkte.
    Ich weiß, dass ich seine sah.
    Sobald Francesco etwas gegessen hatte und mit der Kutsche fortgefahren war, nahmen mein Vater und ich Matteo mit in den Garten hinter dem Palazzo, wo er herumlaufen konnte. Der Garten war grün und üppig, der Dunst, der sich von dem Löwenbrunnen erhob, weich und kühl. Ich schlenderte neben meinem Vater her und ließ meinen Sohn ein Stück vor uns her laufen, rief ihm zu, den Buchsbaum nicht zu zertrampeln und die dornigen Rosenbüsche nicht anzufassen. Ebenso gut hätte ich ihm sagen können, er solle kein kleiner Junge sein.
    Ich war noch immer wütend auf meinen Vater. Ich wusste, er würde mir nie etwas zuleide tun, doch jedes Mal, wenn ich ihn betrachtete, sah ich den Büßer. Dennoch sorgte ich mich um ihn. »Ich habe Angst«, sagte ich ihm. »Die Exkommunikation - Francesco wird sagen, du habest ihn im Stich gelassen.«
    Er tat es mit gleichgültigem Schulterzucken ab. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich habe mit Fra Girolamo gesprochen - ich und andere. Endlich ist er überzeugt, dass er Änderungen vornehmen muss. Er weiß, dass er ein Narr war - dass es ihm nicht gelungen ist, seine Zunge im Zaum zu halten, und dass er auf der Kanzel wie ein Besessener redet. Aber er wird seine Rechtfertigung schreiben. Und er hat bereits persönliche Briefe an Seine Heiligkeit abgefasst, in denen er um Vergebung bittet. Alexander wird besänftigt sein.«
    »Und wenn nicht?«
    Mein Vater starrte geradeaus auf seinen stämmigen Enkel. »Dann wird Florenz unter päpstliches Interdikt gestellt. Keine christliche Stadt darf mit uns geschäftlich verkehren, bis wir Savonarola ausliefern, damit er bestraft wird. Aber das wird nicht passieren.« Er ergriff meine Hand, um mich zu trösten.
    Ich wollte die Hand nicht wegziehen, konnte mich jedoch nicht bremsen. Schmerz flackerte in seinen Augen

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