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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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kurz auf in der Hoffnung, Leonardo würde meine Erschöpfung als Folge meiner Mutterschaft auslegen.
    Er ließ meine Hände los, trat einen Schritt zurück und nahm mich in Augenschein. »Gut. Alles gut. Salai sagt, Ihr habt heute etwas zu berichten. Wollen wir es dann schnell hinter uns bringen?« Er verschränkte die Arme. Im Gegen-satz zu Salai, der alles niederschrieb, hörte Leonardo mir nur zu.
    »Na schön.« Ich räusperte mich; mein Gesicht wurde heiß, und ich merkte mit Abscheu, dass ich rot geworden war. »Verzeiht«, sagte ich mit einem dümmlichen schmalen Lächeln. »Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen, und ich bin ziemlich müde, aber . ich gebe mir die größte Mühe.«
    »Gewiss doch«, sagte er, mich beobachtend.
    Ich holte entschlossen Luft und fing an zu zitieren. Die ersten sieben Sätze des Briefes fielen mir leicht; ich sah sie in Gedanken vor mir in der dunklen, breiten Handschrift, wie sie auf dem Papier gestanden hatten. Dann begann ich, ohne es zu wollen: »Und jetzt macht Ihr das alles zunichte? Oder soll ich Euch im Zweifelsfall nur Gutes unterstellen ...«
    In Panik geraten brach ich ab. Ich wusste, wie der Satz zu Ende ging: und Antonio alles zuschieben. Doch ich wagte nicht, den Namen meines Vaters zu nennen; dennoch war ich verpflichtet, den Satz zu vervollständigen. »Verzeiht«, sagte ich erneut und fuhr fort: »und unserem Freund alles zuschieben.« Um dem Brief den Anschein der Vollständigkeit zu geben, zitierte ich an diesem Punkt alle Zeilen, die sich auf meinen Vater bezogen, und achtete darauf, seinen Namen durch den Begriff unser Freund zu ersetzen. Ich wandte meine volle Konzentration auf, um nicht zu stolpern, als ich die Zeile oder bedient Euch der Tochter und des Enkels ausließ.
    Als ich fertig war, schaute ich zu Leonardo hinüber. Er reagierte überhaupt nicht; er stand nur da und betrachtete mich mit beherrschter, neutraler Miene und bohrendem Blick.
    Das lange Schweigen verwirrte mich; ich schlug die Augen nieder und stellte beunruhigt fest, dass meine Wangen sich erneut röteten.
    Schließlich ergriff er mit weicher, vorwurfsfreier Stimme das Wort. »Ihr seid eine schlechtere Spionin, als ich Euch zugetraut hätte, Lisa. Ihr könnt nicht verbergen, dass Ihr lügt.«
    »Ich lüge nicht!«, sagte ich, vermochte ihn aber nicht anzusehen.
    Er seufzte; sein Ton war resigniert und traurig. »Na gut. Ich will es anders formulieren: Ihr verschweigt die Wahrheit. Ich glaube, Ihr wisst, wer >unser Freund< ist. Vielleicht sollte ich Euch bitten, diese spezielle Zeile immer wieder zu zitieren ... bis Ihr sie mir endlich so wiedergebt, wie sie geschrieben wurde.«
    Ich war wütend über mich selbst und schämte mich. Durch meine eigene Dummheit hatte ich den Mann betrogen, der mein Vertrauen am meisten brauchte. »Ich habe Euch gesagt, was Ihr über den Brief wissen müsst. Ihr könnt nicht - Ihr glaubt, alles zu wissen, doch dem ist nicht so.«
    Er blieb ruhig, traurig. »Madonna ... Ihr würdet mir nichts sagen, was ich nicht schon weiß. Ich verstehe, dass Ihr ihn schützen wollt, aber dazu ist es zu spät.«
    Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, sagte ich: »Ihr müsst mir versprechen, dass ihm niemand etwas zuleide tut. Dass ihm nichts zustößt ... Wenn ich denken würde, Ihr - oder Piero - wärt eine Gefahr für ihn, würde ich .«
    »Lisa«, sagte er scharf. »Ihr versucht, jemanden zu schützen, der Eures Schutzes nicht wert ist.« Er wandte sich ab und schaute zum Fenster. »Ich hatte gehofft, dieser Augenblick würde nie eintreten, Ihr würdet davon verschont. Jetzt sehe ich natürlich, dass es nur eine Frage der Zeit war.«
    »Wenn Ihr ihn verletzt, werde ich Euch nicht helfen.« Meine Stimme zitterte.
    »Salai!«, rief er so laut, dass ich erschrak und im ersten Moment dachte, dass er mich anschrie. »Salai!«
    Sogleich tauchte Salai grinsend in der Tür auf; bei unserem Anblick verflog seine gute Laune.
    »Behalte sie im Auge«, befahl Leonardo. Er verließ den Raum. Kurz darauf hörte ich ihn durch das Zimmer nebenan schlurfen, offenbar suchte er etwas.
    Als er zurückkam, hielt er eine Mappe in der Hand; er entließ Salai mit einer kurzen Kopfbewegung. Dann trug er die Mappe an den langen Tisch vor der gegenüberliegenden Wand, schlug sie auf und begann, die Zeichnungen durchzusehen - einige mit Holzkohle gemalt, ein paar mit Tinte, die meisten mit hauchzarter rotbrauner Kreide -, bis er die gefunden hatte, nach der er suchte.
    Er legte

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