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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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Schiff ins exotische Konstantinopel gefahren. König Ferrante und Baroncellis Verwandte in Neapel hatten genügend Mittel geschickt, damit er ein ausschweifendes Leben führen konnte. Baroncelli machte sich die Sklavinnen, die er gekauft hatte, zu Mätressen, gab sich ganz dem Vergnügen hin und versuchte so, jede Erinnerung an die Morde, die er begangen hatte, zu löschen.
    In seinen Träumen indes wurde er heimgesucht vom Bild Giulianos, erstarrt in dem Augenblick, als er zum blitzenden Messer aufgeschaut hatte. Die dunklen Locken standen ihm wirr vom Kopf, seine unschuldigen Augen waren weit aufgerissen, seine Miene unsicher und etwas verwirrt angesichts der plötzlichen Konfrontation mit dem Tod.
    Baroncelli hatte mehr als ein Jahr Zeit gehabt, über die Frage nachzudenken: Wäre es der Stadt besser ergangen, wenn sie die Medici entfernt und durch Iacopo und Francesco de' Pazzi ersetzt hätten? Lorenzo war vernünftig und vorsichtig; Francesco dagegen aufbrausend und zupackend.
    Er hätte sich rasch auf die Ebene eines Tyrannen herabbegeben. Lorenzo war klug genug, die Liebe der Menschen zu nähren, was die Größe der Menge unter Beweis stellte, die sich jetzt auf dem Platz versammelt hatte; Francesco wäre zu arrogant gewesen, sich darum zu scheren.
    Lorenzo war vor allem hartnäckig. Am Ende blieb selbst Konstantinopel nicht außerhalb seiner Reichweite. Sobald seine Agenten Baroncelli ausfindig gemacht hatten, schickte Lorenzo einen mit Gold und Juwelen beladenen Gesandten zum Sultan. Damit war Baroncellis Schicksal besiegelt.
    Alle Verbrecher wurden draußen vor den Toren der Stadt gehängt und dann eilig in ungeweihter Erde verscharrt. Baroncelli würde in einem Loch mit ihnen begraben werden - doch angesichts der Schwere seines Vergehens sollte er auf dem beliebtesten Platz von Florenz hingerichtet werden.
    Jetzt, da der kleine Karren an der Menge vorbei zum Galgen ratterte, stöhnte Baroncelli laut auf. Angst packte ihn qualvoller als jeder körperliche Schmerz; ihm war unerträglich kalt, dann wieder siedend heiß, und er hatte das betäubende Gefühl zu versinken. Er glaubte ohnmächtig zu werden, doch die Bewusstlosigkeit wollte sich, so grausam es war, nicht einstellen.
    »Nur Mut, Signore«, sagte der nero. »Der Herr reitet mit Euch.«
    Sein nero, sein Tröster, ging neben dem Karren her. Er war ein Florentiner Bürger und hieß Lauro, ein Laienbruder der Compagnia di Santa Maria della Croce, auch bekannt unter dem Namen Compagnia de' Neri - der Orden der Schwarzen -, da alle Mitglieder schwarze Gewänder und Kapuzen trugen. Zweck des Ordens war, Bedürftigen Trost und Gnade zu spenden - einschließlich der gequälten Seelen, die zum Tode verurteilt waren.
    Lauro war von dem Augenblick an, als er in Florenz eingetroffen war, bei ihm geblieben. Er hatte dafür gesorgt, dass Baroncelli gerecht behandelt wurde, dass er anständige Kleidung und ordentliches Essen bekam, dass er Briefe an ihm Nahestehende schicken durfte (Giovanna reagierte nie auf seine Bitte, sie sehen zu wollen). Lauro hatte freundlich zugehört, als Baroncelli unter Tränen seinem Bedauern Ausdruck verlieh, und war in der Zelle geblieben, um für ihn zu beten. Der Tröster hatte die Jungfrau Maria, Jesus Christus und den heiligen Johannes, den Schutzpatron von Florenz, angefleht, Baroncelli Trost zu spenden, ihm Vergebung zu gewähren, seine Seele ins Fegefeuer und von dort in den Himmel zu lassen.
    Baroncelli schloss sich seinen Gebeten nicht an, das hätte Gott als persönliche Beleidigung aufgefasst, glaubte er.
    Nun ging der Tröster in seiner schwarzen Kapuze neben ihm her und sprach laut - einen Psalm, eine Hymne oder ein Gebet, alles schwebte wie weißer Dunst in der Luft -, doch infolge der lärmenden Menge konnte Baroncelli die einzelnen Wörter nicht verstehen. Eine einzige Wortfolge pulsierte in seinen Ohren zum Rhythmus seines Herzschlags.
    Palle Palle Palle.
    Der Karren hielt vor der Treppe zum Galgen an. Der Tröster schob einen Arm unter Baroncellis gefesselte Arme und half ihm umständlich auf das kalte Pflaster hinunter. Die Bürde des blanken Entsetzens zwang den zitternden Baroncelli in die Knie; der Tröster kniete neben ihm nieder und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Habt keine Angst. Eure Seele wird direkt in den Himmel aufsteigen. Unter allen Menschen braucht gerade Ihr keine Vergebung; was Ihr getan habt, war das Werk Gottes, kein Verbrechen. Für viele von uns seid Ihr der Held, Bruder. Ihr habt den ersten Schritt
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