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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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auf die Knie fiel.
    Lorenzo saß am Ufer des Arno und schlang sich eine Decke um die Schultern. Er war durchnässt, aber er lebte.
    Erleichtert entfuhr Giuliano ein schwacher Seufzer - die Luft, die noch in seinen Lungen war. Dann fiel er vornüber und sank dorthin, wo das Wasser tief und dunkel war.
8
    26. April 1478 An die Prioren von Mailand
    Durchlauchtigste Herren,
    mein Bruder Giuliano wurde ermordet, und meine Regierung ist in höchster Gefahr. Nun ist es an der Zeit, meine Herren, Eurem Diener Lorenzo Beistand zu leisten. Schickt rasch so viele Soldaten, wie es Euch möglich ist, damit sie der Schild und die Sicherheit meines Staates sind, wie immer.
    Euer getreuer Diener,
    Lorenzo de' Medici

28 . DEZEMBER 1479
9
    Bernardo Baroncelli kniete auf einem kleinen Pferdekarren und fuhr seinem Todesurteil entgegen.
    Auf der weitläufigen Piazza della Signoria ragte der große, unerbittliche Palazzo vor ihm auf, Sitz der Regierung von Florenz und das Herz ihrer Justiz. Von Zinnen gekrönt, war die Festung ein imposantes, beinahe fensterloses Rechteck mit einem schlanken Glockenturm auf einer Seite. Erst vor einer Stunde hatte man Baroncelli zum Karren geführt, er hatte die Glocke läuten hören, leise und schmerzlich, die die Zeugen für das Spektakel zusammenrief.
    In der Morgendämmerung wirkte die Steinfassade des Palazzo vor den dunkler werdenden Wolken hellgrau. Vor dem Gebäude erhob sich aus einer farbenfrohen, mannigfaltigen Versammlung der Reichen und Armen von Florenz ein hastig errichtetes Gerüst mit den Galgen.
    Es war bitterkalt geworden; Baroncellis letzte Atemzüge hingen wie Nebel vor seinem Gesicht. Sein Umhang klaffte oben auf, doch er konnte ihn nicht fester um sich ziehen, denn seine Hände waren auf den Rücken gefesselt.
    Jedes Mal, wenn die Räder auf einen Stein trafen, machte Baroncelli einen Satz. Auf diese Weise traf er auf der Piazza ein. Mindestens tausend Menschen hatten sich versammelt, um sein Ende mit anzusehen. Am Rande der
    Menge erblickte ein kleiner Junge, ein fanciulo, den sich nähernden wackeligen Karren und stimmte in seinem kindlichen Falsett die Parole der Medici an: »Palle! Palle! Palle!«
    Eine Welle der Hysterie erfasste die Menschen im Gedränge. Schon bald dröhnte der einstimmige Ruf in Baron-cellis Ohren.
    »Palle! Palle! Palle!«
    Aus nächster Nähe wurde ein Stein geworfen; harmlos polterte er auf die Pflastersteine neben dem quietschenden Karren. Danach wurden nur noch Flüche gegen Baroncelli ausgestoßen. Die Signoria hatte mehrere berittene Polizisten an strategisch wichtige Stellen beordert, um einem Aufstand vorzubeugen; Baroncelli war von bewaffneten Wächtern hoch zu Ross flankiert.
    Damit wollte man verhindern, dass man ihn in Stücke riss, noch ehe er von offizieller Seite hingerichtet wurde. Er hatte die Geschichten über das grausame Schicksal seiner Mitverschwörer vernommen: Die von den Pazzi gemieteten Söldner aus Perugia hatte man vom hohen Turm des Palazzo della Signoria in die wartende Menge hinuntergestoßen, die sie mit Messern und Schaufeln regelrecht in Stücke zerlegte.
    Selbst der alte Iacopo de' Pazzi, ein vormals geachteter Mann, hatte dem Zorn von Florenz nicht entkommen können. Unter den Klängen des Glockenturms von Giotto war er auf sein Pferd gestiegen und hatte versucht, die Bürger mit dem Ruf »Popolo e liberta!« aufzuwiegeln. Der Satz war ein Schlachtruf, um die derzeitige Regierung zu stürzen - in diesem Fall die der Medici.
    Doch das Volk hatte mit dem Ruf geantwortet: » Palle! Palle! Palle !«
    Trotz seiner Sünde hatte man ihm nach seiner Hinrichtung eine ordentliche Beisetzung gewährt - noch mit der
    Schlinge um den Hals. Allerdings war die Stadt in jenen Tagen voller Hass, sodass er noch nicht lange die letzte Ruhe gefunden hatte, als die Signoria beschloss, es sei wohl besser, seinen Leichnam zu exhumieren und außerhalb der Stadtmauern in ungeweihter Erde zu begraben.
    Über Francesco de' Pazzi und die anderen waren rasch Urteile gefällt worden; nur Guglielmo de' Pazzi war verschont geblieben, weil Bianca de' Medici ihren Bruder verzweifelt angefleht hatte.
    Von den eigentlichen Verschwörern war nur Baroncelli entkommen. Er hatte sich im Turm des Duomo versteckt, in dem die Luft noch vom Klang der Glocke erzitterte. Als sein Weg frei war, hatte er zu Pferd die Flucht ergriffen -ohne seiner Familie ein Wort zu sagen - und sich Richtung Osten nach Senigallia an der Küste begeben. Von dort aus war er mit einem
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