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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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begleiten. Ich empfand die Gegenwart des Grafen als Kränkung, doch Ser Giovannis Kummer war nicht geheuchelt. Der Gang der Ereignisse war auch für ihn niederschmetternd und verstörend.
    Mein Vater mied es, Pico anzusehen, und saß stocksteif neben ihm, sodass sich ihre Beine und Ellenbogen nicht einmal zufällig berührten. Leise, in raschen Worten betete er für das Seelenheil meiner Mutter, wobei er abwechselnd das Ave-Maria und das Vaterunser anstimmte. Als Pico sich ihm anschloss, zögerte er zunächst - als weigerte er sich, die Gebete seines Freundes anzunehmen -, gab dann aber nach und fuhr fort.
    Da ich den Anblick in der Kutsche nicht ertragen konnte, schaute ich aus dem Fenster. Es war schlichtweg eine Beleidigung, dass San Marco von außen und die Via Larga aussahen wie eh und je. Die Menschen gingen vorsichtig über die vereisten Straßen, die Gesichter vor der Kälte ver-hüllt, doch es gab kein Anzeichen von Trauer, keinerlei Respekt vor der Allgegenwart des Todes.
    Meinem Vater gegenüber empfand ich sowohl Mitleid als auch Wut. Gleichzeitig entwickelte ich ein gewisses Verantwortungsgefühl, was denn auch mein weiteres Vorgehen bestimmte, als wir schließlich nach Hause kamen. Sobald die Kutsche hinter unserem Haus anhielt, war ich die Erste, die sich erhob.
    »Ser Giovanni.« Ich redete mit Pico, als wären wir beide erwachsen und ich wäre ihm ebenbürtig. »Heute müssen zum einen noch Vereinbarungen mit einem Totengräber getroffen werden und zum anderen mit einem Priester für morgen; es wäre wohl ihr Wunsch gewesen, in Santo Spiri-to beigesetzt zu werden. Wenn Ihr also so freundlich wärt .«
    Noch ehe ich meinen Satz beenden konnte, antwortete Pico mit feierlichem Ernst: »Es wäre mir eine Ehre, Madonna Lisa. Unterdessen . « Er wandte sich an meinen Vater, der den Leichnam meiner Mutter noch immer in den Armen hielt. »Lasst sie uns ins Haus tragen.«
    »In ihre Gemächer hinauf«, sagte ich. »Zalumma, geh vor ihnen her und decke ihr Bett ab, damit es nicht verschmutzt wird, und lass die Dienerschaft Handtücher und Wasser bringen.«
    Mein Vater drückte seine tote Gemahlin fest an die Brust. »Ich werde sie selbst tragen.«
    »Nun kommt schon«, versuchte Pico ihn zu beschwichtigen. »Ihr werdet Hilfe benötigen, zumindest um aus der Kutsche zu steigen.«
    Mein Vater blieb Pico gegenüber reserviert und mied auch weiterhin seinen Blick, nickte am Ende aber doch. Die Männer hoben meine Mutter aus der Kutsche, sobald sie allerdings draußen war, übernahm mein Vater sie wieder. »Das mache ich jetzt.« Da er nicht zu überreden war, brach
    Pico nach Santo Spirito auf. Zalumma eilte vor uns her ins Haus.
    Ich ging ein paar Schritte vor meinem Vater her, der wie im Fieber vor sich hin murmelte: »Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum, benedicta tu ... Allmächtiger Gott, lass ihre Seele rasch zu dir aufsteigen. Eine solche Hölle, und alles meine Schuld, von Anfang an .«
    Der Wahnsinn verlieh ihm Kraft. Er betrat das Haus, ohne seine Schritte zu verlangsamen, und stieg die hohe, schmale Treppe hinauf.
    Vor den Gemächern meiner Mutter wartete Zalumma mit verweinten Augen, doch um Haltung bemüht, an der offenen Tür. »Das Wasser zum Abwaschen kommt gleich noch«, sagte sie, »aber das Bett habe ich schon vorbereitet.«
    Unendlich behutsam legte mein Vater meine Mutter auf ihr Bett, das mit einer Schicht aus alten Leinentüchern abgedeckt war.
    »Komm«, sagte ich, »das wollen wir wegnehmen.« Ich langte nach dem schönen, smaragdgrünen Samtcape, dessen Hermelinfutter von getrocknetem Blut steif geworden war. Zalumma half mir, es unter meiner Mutter hervorzuziehen. Als wir damit fertig waren, sank mein Vater auf die Knie, ergriff die Hand meiner Mutter und küsste sie wieder und wieder.
    Von unten drang Gejammer zu uns herauf, als der Kutscher den anderen Dienern erzählte, was vorgefallen war. Wasser und Handtücher wurden gebracht. »Du musst jetzt gehen«, sagte ich zu meinem knienden Vater. »Wir müssen sie waschen.«
    Er schüttelte den Kopf und klammerte sich fest an meine Mutter. »Wir müssen für sie beten. Beten, bis wir ein Zeichen von Gott erhalten, dass sie im Himmel ist und nicht mehr leidet. Adveniat regnum tuum. Dein Reich komme.«
    »Das Beten hat heute schon genug bewirkt! Geht jetzt!« Zalummas Augen funkelten vor Zorn.
    Ich schob mich zwischen die beiden. »Vater, wenn du willst, kannst du in einem anderen Raum weitermachen.« Sanft löste ich seine Hand von der

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