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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Todes hat sie ihre Sünde bereut und weilt jetzt im Fegefeuer. Frohlockt in dem Wissen, dass ihre Seele bald bei Gott sein wird.«
    Seine Worte rissen meinem Vater das Herz entzwei. »Das stimmt«, flüsterte er. »Doch es stimmt auch, dass Domenico sie umgebracht hat.«
    Fra Girolamo war unerbittlich. »Was hier geschehen ist, war Gottes Werk. Fra Domenico war nur ein Werkzeug. Frauen!« Er drehte sich zu uns um und wollte uns ermahnen. »Trocknet Eure Tränen! Freut Euch, dass Eure Herrin bald im Himmel sein wird.«
    Zalumma spuckte mit zornigem Blick in seine Richtung und überließ sich dann wieder ihrem Kummer.
    »Gott sieht die Schuldigen«, sagte ich zu ihm. »Gott weiß, welches Verbrechen hier begangen wurde, und all Eure schönen Worte vermögen es nicht vor IHM zu verbergen. ER wird dafür sorgen, dass Euch und Fra Domenico Gerechtigkeit widerfährt, wann es Ihm gefällt.« Dann fügte ich mit einer plötzlichen Sachlichkeit hinzu, die mich selbst erstaunte: »Wenn Ihr Euch auch nur im Geringsten erkenntlich zeigen wollt, dann sorgt dafür, dass sie in unsere Kutsche getragen wird.«
    »Das geht«, sagte Savonarola. »Danach werde ich beten, dass Gott Euch Eure hasserfüllten Worte vergibt. Mit der Zeit werdet Ihr hinnehmen, was geschehen ist. Zunächst jedoch werden wir für Madonna Lucrezia beten, dass ihre Zeit im Fegefeuer nur von kurzer Dauer ist. Dann werde ich einen Priester holen« - das empfand ich als beabsichtigten Dämpfer für den Priester in unserer Mitte -, »um ihr die Letzte Ölung zu erteilen.« Er sprach zu uns allen, hatte den Blick aber auf meinen Vater gerichtet, der noch immer trotzig dastand und sich von Pico nicht trösten ließ. »Lasst uns niederknien«, sagte Savonarola. Pico, der Priester und die beiden Mönche gehorchten. Zalumma und ich verharrten bei meiner Mutter.
    Mein Vater blieb stehen, zutiefst verwundet, stur und unbeirrbar. »Er hat sie umgebracht.«
    »Er war die Hand Gottes«, entgegnete Savonarola grimmig. »Gott hat unsere Gebete erhört, als er Lucrezia zu sich nahm; bald wird sie bei ihm sein, befreit von allen Leiden. Das ist ein Segen, verglichen mit dem Leben, das sie führte ... ein Ausgang, der noch wünschenswerter ist als eine Heilung hier auf Erden. Ihr solltet dankbar sein.« Er hielt inne und forderte dann erneut: »Kniet nieder. Kniet und betet mit uns, dass die Seele Eurer Gemahlin ins Paradies kommt.«
    Mein Vater schluchzte brüllend auf. Er blieb stehen und starrte Domenico mit höllischem Blick an.
    Domenico kniete hinter seinem Herrn nieder, schlug die Augen auf und begegnete dem Blick meines Vaters. Seine Miene strahlte unmissverständlichen Triumph aus. Es war ein hämischer Ausdruck, der nichts mit Gott oder Rechtschaffenheit zu tun hatte; in seinen Augen blitzte berechnende Intelligenz auf - so unendlich böse und kalt, dass mir der Atem stockte.
    Dann neigte Fra Domenico mit starrem Blick auf meinen Vater kaum merklich den Kopf Richtung Tisch, auf dem meine Mutter lag; anschließend drehte er den Kopf langsam und mit Bedacht in meine Richtung.
    Mein Vater sah es und fuhr zusammen.
    »Kniet nieder«, wiederholte Domenico leise.
    Die Brust meines Vaters hob und senkte sich so schwer, dass ich schon dachte, sie würde bersten. Das Gesicht mit beiden Händen bedeckend, sank er neben Pico auf die Knie.
    Domenico lächelte und schloss die Augen.
    Ich aber wollte mich nicht beugen. Zalumma wollte sich nicht beugen. Ich verstand nicht, was zwischen dem großen Mönch und meinem Vater vor sich gegangen war; ich wusste nur, dass mein Vater sich hatte brechen lassen.
    An den Leichnam meiner Mutter geklammert, habe ich ihn noch nie so verachtet wie in jenem Augenblick. Tatsächlich vermochte ich nicht zu sagen, wen ich damals am meisten hasste: Gott, Savonarola, Fra Domenico oder meinen Vater, weshalb ich beschloss, sie alle zu hassen.
19
    Nachdem der Priester von San Marco ihr die Letzte Ölung hatte zuteil werden lassen, wurde meine Mutter zu unserer Kutsche getragen. Inzwischen hatte sich die Menschenmenge weitgehend aufgelöst - doch trotz meines Kummers fiel mir auf, dass der Fremde mit den scharfen Gesichtszügen, der mir auf die Beine geholfen hatte, auf der Kirchentreppe stand und uns beobachtete.
    Wir fuhren über den Ponte Santa Trinita zurück. Auf der Fahrt lag meine Mutter, eingehüllt in blutigen Hermelin und smaragdgrünen Samt, schlapp in den Armen meines Vaters. Niemand außer ihm durfte sie berühren. Pico bestand darauf, uns zu

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