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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Zwischenfall gibt Fra Girolamos Lehren recht. Ich war kein Anhänger von ihm, aber vielleicht werde ich heute Abend nach San Lorenzo gehen, um zu hören, was er zu der Angelegenheit zu sagen hat.«
    Tief erschüttert verließ ich mit der Schulter und den Nieren des Lamms den Laden und ließ das Hirn für andere. Unser nächster Anlaufpunkt wäre der Bäcker gewesen, doch ich erzählte unserem Kutscher von der Katastrophe. Obwohl er meinem Vater treu ergeben war und feierlich hatte geloben müssen, mich nur dort abzusetzen, wohin ich durfte, ließ er sich leicht überreden, uns zur Piazza del Duomo zu fahren, damit wir uns ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung machen konnten. Die Straßen, die zu Santa
    Maria del Fiore hinführten, waren überfüllt, doch je näher wir der Kathedrale kamen, umso beruhigter waren wir: Die rote Ziegelkuppel bestimmte noch immer die Silhouette von Florenz.
    »Dummes Geschwätz!«, murmelte Zalumma vor sich hin. »Wilde Phantasien, angefacht von dem Wahnsinnigen.«
    Wahnsinniger, dachte ich. Die richtige Bezeichnung für Fra Girolamo, die ich jedoch im eigenen Hause nicht zu benutzen wagte ... und in Anbetracht der fanatischen Hingabe seiner Anhänger war es auch nicht sicher, sie auf der Straße offen auszusprechen.
    Die Piazza war überfüllt mit Kutschen und Menschen, die zu Fuß gekommen waren, um sich das Ausmaß der Zerstörung anzusehen. Sie war nicht ganz so verheerend, wie der Schlachter glaubte, aber in die Bronzelaterne auf der großen Kuppel war ein Blitz eingeschlagen und hatte sie versengt. Die gesamte Konstruktion hatte Schaden genommen: Zwei Nischen waren zu Boden gekracht, die eine hatte einen Riss in der Kuppel verursacht, die andere ein klaffendes Loch in das Dach eines benachbarten Hauses geschlagen. Marmorbrocken waren heruntergefallen und an die Westseite des Heiligtums gerollt, wo sie auf der Piazza lagen. Fußgänger hatten sich dort in gehörigem Abstand versammelt; ein Kind streckte die Hand aus, um einen der Steine zu berühren, doch die Mutter riss es rasch zurück, als läge auf dem Marmor selbst ein Fluch.
    Ein weißhaariger älterer Mann deutete nach Westen auf die Via Larga. »Seht ihr?«, schrie er und sprach offenbar die ganze Menschenmenge an. »Sie sind auf den Palazzo der Medici zugerollt. Gott hat il Magnifico gewarnt, seine Sünden zu bereuen, aber ER kann Seine Wut nicht mehr im Zaum halten!«
    Ich ging wieder zu unserem Kutscher, der noch immer auf dem Kutschbock saß und die Zerstörung bestaunte.
    »Ich habe genug gesehen«, sagte ich. »Fahr uns nach Hause, und zwar schnell.«
    Ich legte mich ins Bett und sagte meinem Vater, ich sei krank und könne die Abendmesse nicht mit ihm besuchen. An jenem Tag und dem darauffolgenden wartete ich auf einen Brief von Giuliano, der nie eintreffen sollte. Auf besonderes Geheiß meines Vaters kam ich dann doch zu einem späten Abendessen hinunter. Zunächst dachte ich, er wolle mich noch einmal eindringlich bitten, am nächsten Morgen mit ihm die Messe zu besuchen, und war daher zögerlich. Ich gab mir die größte Mühe, möglichst elend auszusehen. Stattdessen aber wartete er mit verblüffenden Neuigkeiten auf.
    »Die Löwen im Palazzo della Signoria«, hob er an. Ich wusste natürlich darüber Bescheid; es waren Geschenke von Lorenzo gewesen. Die beiden Löwen wurden in Käfigen gehalten und als Symbole der Macht von Florenz ausgestellt. »Nach all der Zeit hat einer den anderen getötet. Das sind Zeichen, Lisa. Zeichen und Omen.«
    Es war am Abend des achten April. Ich zog mein Nachtgewand an und legte mich ins Bett, doch die Augen wollten mir nicht zufallen; ich wälzte mich unruhig hin und her, bis Zalumma sich schließlich verschlafen beschwerte.
    Als ich eine Kutsche rumpelnd hinter unserem Palazzo anhalten hörte, zog ich mir meine camicia über und eilte auf den Korridor hinaus, um aus dem Fenster zu spähen. Der Kutscher stieg gerade ab; ich konnte nicht viel mehr als die Umrisse von Pferden wahrnehmen und einen Mann, der sich im Schein einer Fackel bewegte, die er hochhielt. Die schräge Haltung der Schultern, der schnelle Gang des Kutschers deuteten auf eine Dringlichkeit hin, die nichts Gutes verhieß.
    Er ging auf die Loggia zu. Ich drehte mich um, trat rasch an die Treppe und lauschte. Er klopfte an die Tür und rief laut den Namen meines Vaters. Verwirrung machte sich breit, verschlafene Diener huschten umher, bis man den Kutscher schließlich einließ.
    Kurz darauf vernahm ich die strenge

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