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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Stimme meines Vaters und die leise, unverständliche Antwort des Kutschers.
    Als die eiligen Schritte meines Vaters - eines Mannes, der aus dem Schlaf aufgeschreckt worden war - auf der Treppe zu hören waren, hatte ich mich bereits in meinen mantello gehüllt. Ich hatte keine Kerze bei mir, sodass er bei meinem Anblick erschrak. Sein Gesicht wurde durch die Kerze in seiner Hand geisterhaft beleuchtet.
    »Du bist also wach. Hast du es gehört?«
    »Nein.«
    »Zieh dich an, und zwar rasch. Bring deinen Umhang mit, den mit der Kapuze.«
    Vollkommen verstört ging ich wieder in mein Zimmer und weckte Zalumma. Sie war verschlafen und konnte sich keinen Reim auf meine undeutliche Erklärung machen, doch sie half mir, ein Kleid anzuziehen.
    Ich ging die Treppe hinunter, wo mein Vater mich mit seiner Lampe erwartete. »Gleichgültig, was er dir sagt«, begann er und wurde dann von einer nicht näher zu deutenden Gefühlsregung gepackt. Als er sich wieder im Griff hatte, setzte er erneut an: »Gleichgültig, was er dir sagt, du bist meine Tochter, und ich liebe dich.«
32
    Ich antwortete nicht, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Er führte mich nach draußen durch die Loggia zu einer wartenden Kutsche mit Fahrer. Beim Anblick des Medici-Wappens auf der Tür blieb ich wie angewurzelt stehen. Giuliano? Nein, das war nicht möglich -mein Vater würde mich ihm nie einfach so überlassen.
    Mein Vater half mir in die Kutsche, schloss die Tür und ergriff durch das Fenster meine Hand. Er schien unsicher, ob er mich begleiten sollte. Schließlich sagte er: »Sei vorsichtig. Achte darauf, dass dich keiner sieht, und sprich mit niemandem. Sag keinem, was du siehst oder hörst.« Mit diesen Worten trat er zurück und bedeutete dem Kutscher abzufahren.
    Die Uhrzeit hatte meine Fähigkeit, klar zu denken, getrübt, doch als die Kutsche über das Pflaster des Ponte Vecchio rumpelte, wurde mir klar, dass man nach mir gerufen hatte.
    Die Fahrt dauerte länger, als ich erwartet hatte. Wir fuhren nicht zum Palazzo Medici, sondern aus der Stadt hinaus und eine gute Stunde über Land. Schließlich rollten wir an den dunklen Umrissen von Bäumen vorbei über eine Kiesauffahrt. Es dauerte noch eine Weile, bis der Kutscher die Pferde zwischen einem quadratisch angelegten Garten und der Vorderseite eines Hauses zum Stehen brachte.
    Trotz der späten Stunde war jedes Fenster hell erleuchtet; das war ein Haus, in dem niemand schlief.
    Die Männer, die vor dem Eingang zur Villa Wache standen, hatten ihre Posten verlassen und saßen in der Nähe zwischen brennenden Fackeln im Freien und redeten leise miteinander. Als der Fahrer mir aus der Kutsche half, zwickte sich einer von ihnen in den Nasenrücken unterhalb der Stirn und begann laut zu schluchzen. Die anderen geboten ihm, still zu sein, und einer von ihnen eilte herbei, um mich einzulassen.
    Im Innern wartete eine junge Dienerin in der großen, atemberaubend geschmückten Eingangshalle.
    »Wie geht es ihm?«, fragte ich, als sie mich mit schnellen Schritten durch den Korridor führte.
    »Er liegt im Sterben, Madonna. Die Ärzte rechnen nicht damit, dass er die Nacht übersteht.«
    Diese Neuigkeiten versetzten mir einen Stich, Giuliano und seine Familie taten mir von Herzen leid. Die Kunstwerke, an denen ich vorbeikam - die lebendigen Gemälde in wilden Farben, die zarten, vergoldeten Skulpturen -, wirkten grausam.
    Wir kamen an die Tür zu Lorenzos Schlafgemach. Sie war verschlossen. Das Vorzimmer, wie das im Palazzo in der Via Larga, war angefüllt mit sorgfältig arrangierten Juwelen, Kelchen und Einlegearbeiten aus Gold. Pieros Gemahlin, Madonna Alfonsina, saß in dem Raum, zusammengesunken, schwanger und plump, trotz ihrer schönen, kupfergoldenen Locken. Sie trug eine schlichte camicia und hatte sich einen Schal um die Schultern gelegt. Neben ihr saß Michelangelo, der den großen Kopf in die Hände gestützt hatte und nicht aufschaute, als ich eintrat.
    Alfonsina hingegen schoss mir einen äußerst hasserfüllten Blick zu, als ich einen Knicks machte und mich vorstellte. Stirnrunzelnd wandte sie sich ab. Sie hatte offenkundig die Rolle des weiblichen Familienoberhaupts übernommen und wirkte eher erregt denn trauernd. Ihre Augen waren trocken und zornig und vermittelten den Eindruck, als ärgere sie sich über ihren Schwiegervater, der ihr so viele Unannehmlichkeiten bereitete.
    Der alte Philosoph Marsilo Ficino stand an der Tür, offenbar war er der Vermittler. »Madonna

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