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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wenige Zentimeter; sein Sohn nahm sie und beugte sich vor, sodass ihre Schultern sich beinahe berührten. »Mein guter Junge ... Und wer tröstet dich?«
    »Ich bin wie du, Vater«, entgegnete Giuliano humorvoll. »Ich wurde ohne das Bedürfnis nach Trost geboren.« Er sprach ein wenig lauter. »Aber hier ist Lisa di Antonio Gherardini. Du hast sie rufen lassen.«
    Ich trat näher heran, bis meine Hüfte die Bettkante berührte. »Die Mitgift«, flüsterte der alte Mann; sein Atem roch nach Tod.
    »Ja, Vater.« Giulianos Gesicht war kaum einen Finger breit von dem des Vaters entfernt. Er lächelte, und Lorenzo, der den Anblick gerade noch wahrnahm, lächelte matt zurück.
    »Der Einzige«, hauchte er. »Wie mein Bruder. So gut.«
    »Nicht so wie du, Vater. Längst nicht so wie du.« Giu-liano hielt inne, wandte sich dann mir zu und sagte, wieder sehr deutlich, damit Lorenzo ihn verstand: »Mein Vater möchte dich wissen lassen, dass er Anordnungen für deine Mitgift getroffen hat.«
    Lorenzo rang keuchend nach Luft; Giuliano und der Arzt eilten ihm rasch zu Hilfe und lehnten ihn nach vorn, was ihm offenbar Erleichterung verschaffte. Als er sich erholt hatte, winkte er seinen Sohn zu sich und flüsterte ein Wort, das ich nicht zu entziffern vermochte; Giuliano lachte leise auf.
    »Prinz«, sagte er. Trotz seiner vorgetäuschten Unbeschwertheit war seine Stimme belegt, als er mich anschaute und sagte: »So viel Geld, dass Ihr einen Prinz heiraten könnt, wenn Ihr wollt.«
    Ich lächelte für den Fall, dass Lorenzo es sehen konnte, mein Blick war jedoch auf Giuliano gerichtet. »Dann habt Ihr den Mann noch nicht ausgesucht?«
    Lorenzo hörte es nicht, aber sein Sohn kannte bereits die Antwort. »Nein, er hat den Mann nicht ausgewählt. Er hat mich mit der Aufgabe betraut.«
    Ich drückte mich an das Bett und beugte mich tiefer über den Sterbenden. »Ser Lorenzo.« Ich hob die Stimme. »Könnt Ihr mich hören?«
    Seine Augenlider flatterten; er flüsterte eine rasche Antwort, seine Zunge war geschwollen und klebte am trockenen Gaumen, sodass ich nicht mit Sicherheit wusste, was er meinte. Giuliano schaute kurz auf. »Er hört dich.«
    Kühn ergriff ich seine Hand. Sie war kraftlos und schlimm verwachsen, eine richtige Klaue. Trotzdem drückte ich sie mit aufrichtiger Zuneigung und Ehrerbietung an die Lippen. Er war sich der Geste bewusst; in seine blutunterlaufenen Augen trat große Wärme und Zärtlichkeit.
    »Ihr wart so freundlich zu mir, der Tochter eines Tuchhändlers; Ihr wart zu so vielen Menschen großzügig. Die Schönheit, die Kunst, die Ihr uns allen gegeben habt, Ser Lorenzo - es ist eine Schuld, die wir nie zurückzahlen können.«
    Tränen traten ihm in die Augen; ein kleiner Klagelaut drang über seine Lippen.
    Ich wusste nicht, ob es ein Zeichen des Schmerzes oder einer Gefühlsregung war, und schaute Giuliano an für den Fall, dass der Arzt gebraucht würde. Er schüttelte den Kopf.
    »Was kann ich tun, um meine Dankbarkeit zu zeigen?«, drängte ich weiter. »Auf welche Weise kann ich Euer Leiden erleichtern?«
    Lorenzo flüsterte wieder; diesmal las ich ihm die Worte von den Lippen ab, bevor sein Sohn sie wiederholen konnte. »Betet .«
    »Das will ich. Ich werde an jedem Tag für Euch beten, solange ich lebe.« Ich hielt inne und drückte Lorenzos Hand, ehe ich sie losließ. »Sagt mir nur, warum Ihr mir so viel Gunst gewährt habt.«
    Er war sehr bemüht, die Worte klar auszusprechen, so-dass ich sie direkt aus seinem Munde und nicht von einem Vermittler vernahm: »Ich liebe dich, Kind.«
    Die Worte verblüfften mich; vielleicht, dachte ich, delirierte Ser Lorenzo in seinen Todesqualen, überließ sich zu sehr seinen Gefühlen oder wusste nicht mehr, was er sagte. Zugleich erkannte ich die Wahrheit seiner Worte. Ich hatte mich vom ersten Augenblick an, als ich Ser Lorenzo be-gegnete, zu ihm hingezogen gefühlt; auf Anhieb hatte ich einen guten Freund in ihm. Daher antwortete ich offen und ehrlich: »Ich liebe Euch auch.«
    Bei diesen Worten wandte sich Giuliano ab, damit sein Vater nicht sah, wie sehr er sich beherrschen musste. Lorenzo, einen Ausdruck reinster und innigster Liebe auf dem Gesicht, regte sich matt, um ihm schwach den Arm zu tätscheln. »Tröste ihn ...«
    »Ja, das verspreche ich«, sagte ich laut.
    Dann stieß er Worte aus, die für mich keinen Sinn ergaben. »Frag Leonardo ...«
    Er keuchte leise und ließ die Hand sinken, als habe ihn die Anstrengung zu sehr erschöpft. Starr

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