Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Glanzes hinter sich her zog.
    Zeichen, hörte ich meinen Vater sagen. Zeichen und Omen.
    Noch immer angekleidet, legte ich mich auf mein Bett, schlief aber nicht ein. Als der Morgen graute, vernahm ich das Läuten der Glocken.
33
    Lorenzo lag in der Kirche aufgebahrt, in der sein Bruder beigesetzt war. Ganz Florenz war auf den Beinen, um ihn zu betrauern, selbst jene, die erst kürzlich Savonarola zugestimmt hatten, il Magnifico sei ein Heide und Sünder, und Gott werde ihn niederwerfen.
    Sogar mein Vater weinte. »Lorenzo war in seiner Jugend gewalttätig«, sagte er, »und hat viel Schlechtes getan. Aber im Alter wurde er freundlicher.«
    Giovanni Pico kam zu uns, um über den Verlust zu reden, als wäre das, was ich meinem Vater zugetragen hatte, nicht weiter von Bedeutung. Ich war nicht die Einzige, die in jener Nacht den Kometen gesehen hatte; auch Diener in Careggi hatten ihn bemerkt. »Auf dem Totenbett hat Ser Lorenzo Fra Girolamo empfangen, und es war ihm ein großer Trost«, berichtete Pico lallend nach den vielen Gläsern Wein, die mein Vater ihm eingeschenkt hatte, und betupfte sich die Augen. Es überraschte mich, dass Lorenzos Tod ihm so zu schaffen machte. »Ich glaube, er hat in der Tat seine Sünden bereut, denn er hat mehrfach ein juwelenbesetztes Kreuz geküsst und mit Fra Girolamo gebetet.«
    An jenem Tag predigte Savonarola nicht. Stattdessen warteten die Bürger - die sich vor kurzem noch auf den Stufen von San Lorenzo breitgemacht hatten, um dem Propheten von Florenz zuzuhören - nun geduldig, um einen letzten Blick auf ihren größten Gönner zu werfen. Selbst Picos beträchtlicher Einfluss konnte uns das stundenlange Schlangestehen mit den anderen nicht ersparen.
    Wir betraten die Kirche kurz nach Mittag. Neben dem
    Altar lag Lorenzo in einem einfachen Holzsarg auf einem Sockel. Man hatte ihm ein schlichtes weißes Leinenhemd angezogen, und seine Hände - die Finger waren gerade gebogen - waren über dem Herzen gefaltet. Die Augen waren geschlossen, die Lippen zu einem leichten Lächeln geglättet. Er litt keine Schmerzen mehr, war nicht mehr von lähmender Verantwortung niedergedrückt.
    Ich schaute von seinem Leichnam auf und sah Giuliano, der nicht weit entfernt vom Sarg zwischen seinem Bruder Piero und einem Leibwächter stand. Hinter ihnen ragte ein ausgezehrter Michelangelo auf und der Künstler aus Vinci, ungewöhnlich ernst und feierlich.
    Der Anblick Leonardos brachte mir weder Hoffnung noch Freude: All mein Denken galt allein Giuliano, und ich schaute ihn unentwegt an, bis sich unsere Blicke schließlich trafen. Er war vom Weinen völlig erschöpft und nun zu müde für weitere Tränen. Seine Miene war gefasst, doch sein Elend zeigte sich in seiner gesamten Haltung und besonders in den hängenden Schultern.
    Als er mich erblickte, flackerte ein Leuchten in seinen Augen auf. Es gehörte sich nicht, dass wir miteinander sprachen. Wir durften nicht einmal zu erkennen geben, dass wir uns kannten. Doch in jenem Augenblick erfuhr ich alles, was ich wissen wollte. Es war, wie ich es mir schon gedacht hatte: Wir hatten zwar nicht darüber gesprochen, dass sein Vater ihm die Aufgabe übertragen hatte, einen Gemahl für mich auszuwählen, aber er hatte es nicht vergessen.
    Ich musste nur Geduld haben.
    Am nächsten Morgen ging ich wie gewohnt mit Zalumma in Santo Spirito zur Messe. Als der Gottesdienst zu Ende war und wir in die angenehme Frühlingssonne traten, blieb Zalumma hinter dem Strom der Hinausgehenden zurück.
    »Ich frage mich«, sagte sie, »ob es mir wohl erlaubt ist, Eure Mutter zu sehen.«
    Ich antwortete nicht sofort. Mein Kummer war noch zu frisch, um zu der Stelle zu gehen, an der meine Mutter beigesetzt worden war.
    »Mach, was du willst«, sagte ich. »Ich bleibe hier auf der Treppe.«
    »Wollt Ihr nicht mitkommen?«, fragte Zalumma ungewöhnlich nachdenklich. Ich wandte mich ab und schaute angestrengt zu den schwankenden Erlenästen auf, die sich vor dem Himmel abzeichneten. Erst als ihre Schritte verklangen, entspannte ich mich.
    Ich hatte nur kurz dort gestanden, mich in der Sonne gewärmt und versucht, nicht an meine Mutter zu denken, als ich in der Nähe ernste Stimmen vernahm. Die eine gehörte Zalumma, die andere, eine Männerstimme, klang vertraut.
    Ich drehte mich um. Nur eine Minute Fußweg entfernt, zwischen den Krypten und Grabsteinen, Statuen und Rosenranken, stand Zalumma und redete mit Leonardo. Er stand seitlich zu mir, eine Holztafel in der Hand. Unter

Weitere Kostenlose Bücher