Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
Da hat sich in der Forschung sehr viel getan! Antidepressiva machen aber auch heute nicht glücklich oder verändern den Menschen und seinen Charakter. Heute haben sie jedoch viel weniger Nebenwirkungen als früher. Sie sorgen â grob gesagt â vor allem dafür, dass man seinen Alltag und seine Arbeit besser bewältigen und das Lähmende einer Depression überwinden kann.
Trotz Weiterentwicklung sind aber Nebenwirkungen bei den Antidepressiva geblieben?
Ja, wie auch bei allen anderen Medikamenten, und diese Nebenwirkungen sind im Vergleich nicht leichter oder schwerer, sondern liegen im Durchschnitt. Man muss aber speziell ältere von moderneren Antidepressiva unterscheiden, die Differenzen sind hier groÃ. Die älteren haben sicherlich im Schnitt mehr unangenehme Nebenwirkungen, bei den trizyklischen zum Beispiel für den Herzrhythmus. Bei den modernen Varianten sind zwar Bauchschmerzen, Ãbelkeit, Durchfall oder Mundtrockenheit üblich, diese Nebenwirkungen klingen jedoch, wie gesagt, bereits nach einigen Tagen wieder ab. Die neuen Antidepressiva sind allerdings deutlich teurer als die alten. Für die Patienten spielt das aber keine Rolle, sie werden trotzdem häufiger verschrieben.
Gibt es bei Antidepressiva Unterschiede für Männer und Frauen?
In groÃen Pharmakotherapie-Wirksamkeitsstudien werden die Medikamente an beiden Geschlechtern seit über fünfzig Jahren erforscht. Per se gibt es erst mal keine nennenswerten Unterschiede bei Männern und Frauen hervorzuheben.
Können Frauen diese Medikamente während der Schwangerschaft und in der Stillzeit nehmen?
In der Schwangerschaft und beim Stillen sollte man nur ganz bestimmte Antidepressiva nehmen. Man muss da sehr genau schauen. Am besten untersucht ist Sertralin, es ist die Therapie der ersten Wahl in der Stillzeit. Es ist auch im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ sicher, ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel ist es weiter für die Frauen unproblematisch, beim Kind können allerdings Unruhe und andere Nebenwirkungen auftreten. AuÃerdem können eingesetzt werden: Citalopram ( SSRI ) und Amitryptilin ( TZA ). Beim Stillen sind auch fast alle SSRI und Amitryptilin in Ordnung. Bei Paroxetin muss man genau abwägen, da es in Einzelfällen im ersten Schwangerschaftsdrittel eine erhöhte Herzfehlerrate beim Neugeborenen verursacht hat.
Kann man Antidepressiva jahrelang einnehmen?
Ja, und zwar ohne gravierende Nebenwirkungen. Sie sind auch langfristig für Leber und Nieren in Ordnung. Es gibt allerdings Interaktionen mit anderen Medikamenten, zum Beispiel mit denen, die bei einer Chemotherapie von einem Mammakarzinom (Brustkrebs) verwendet werden. Die Wechselwirkung der einzelnen Medikamente, also der Psychopharmaka und der Chemotherapeutika, muss man unbedingt im Auge haben und jeweils im Einzelfall klären.
Ist es notwendig, zur Verschreibung von Antidepressiva zum Psychiater zu gehen, oder ist auch der Hausarzt kompetent?
Ein erfahrener Hausarzt kann gut Patienten mit leichten und mittelschweren Depressionen behandeln. Wenn allerdings ein Mittel nach zwei bis vier Wochen nicht erfolgreich wirkt und müssen die Dosis oder das Medikament verändert werden, sollte man eher zum Psychiater gehen. Grundsätzlich sollte nach zwei Wochen eine Besserung eintreten, ein längeres Warten entspricht eigentlich nicht mehr den heutigen Standards. Zwei Wochen dauert es nämlich, bis Antidepressiva wirken. Es braucht so lange, weil diese nicht punktgenau an einer Stelle im Gehirn ansetzen. Mehr können wir über ihr Vorgehen auch nicht sagen. Man weià nur, dass die Medikamente dafür sorgen, dass sich nach einigen Wochen im neurobiologischen System des Gehirns ein neues Gleichgewicht entwickelt. Dieser Vorgang, der sich auf der Ebene der neuronalen Netzwerke abspielt, also der Informationsarchitektur im Gehirn, braucht eben auch Zeit.
Beruhigungsmittel
Depressive bekommen oft Beruhigungsmittel verschrieben. Zu oft. Dies muss man sehr kritisch beurteilen, da Beruhigungsmittel, vor allem Tranquilizer aus der »Familie« der Benzodiazepine, sehr schnell abhängig machen können. Allerdings sollte man sie genauso wenig verdammen, denn in bestimmten Situationen sind sie extrem hilfreich. So ist es in Ordnung, diese Tabletten unter ärztlicher Kontrolle für einen kurzen Zeitraum zu nehmen, um mit ihnen ein konkretes und überschaubares Ziel zu erreichen. Wenn zum
Weitere Kostenlose Bücher