Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
die einem sinnvoll erscheinen. Eine realistische Sicht auf das Leben mit seinen Veränderungen und trotzdem eine hoffnungsvolle Haltung dazu. Sich selbst wichtig zu nehmen und sich gut um sich zu kümmern, ist dazu ein unentbehrlicher Stützpfeiler, der gerade Frauen häufig schwerfällt. Sie nehmen Familie und Beruf oft wichtiger als sich selbst.
Das Wichtigste für ein psychisch gesundes Leben sind â ich kann das aus eigener Erfahrung bestätigen â gute zwischenmenschliche Beziehungen, und zwar von Geburt an. Sie sind ein Schutz davor, sich jemals das Leben nehmen zu wollen.
Suizidale Signale verstehen und rechtzeitig handeln
Sehr viele Depressive denken darüber nach, sich das Leben zu nehmen, mehr oder weniger konkret. Sie sind immer ambivalent. »Ich will leben«, sagen sie den einen Tag, den anderen: »Ich will so nicht mehr leben, ich will sterben, einen anderen Ausweg gibt es nicht.« Oder es kann sein, dass eine Frau Hilfe sucht, diese aber gleichzeitig ablehnt oder entwertet: »Das bringt ja eh nichts.« Auch gegensätzliche Gefühle wie Liebe und Hass sind sehr häufig. Weitere auffällige Symptome sind andauernde Schlaflosigkeit, permanente Erschöpfung und ein deutlicher Mangel an Konzentration. Suizidalität ist eine extreme psychische Krise, die meistens mit Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Sinnlosigkeit, Scham, Schuldgefühlen sowie Ãrger und Wut verbunden ist.
Wer meint, jemanden zu kennen, der selbstmordgefährdet ist, sollte das ansprechen. Manchmal ist es allerdings schwer zu erfassen, wie ernst die Situation ist â gerade wenn die Person nicht von sich aus darüber redet. Doch es gibt auch indirekte Hinweise. Am deutlichsten zeigt es sich bei Frauen, wenn sie sich zurückziehen. Wenn sie ihre Freundinnen nicht mehr treffen wollen oder jede Einladung ablehnen. Wenn sie das, was sie immer mit Freude gemacht haben â wie Rad fahren oder im Garten arbeiten â, auf einmal nicht mehr mögen und sich nur noch zu Hause aufhalten und das Nötigste erledigen. Weitere Alarmzeichen sind Selbstverletzungen, beispielsweise das Ritzen mit Rasierklingen, sowie Wechsel von Aggressionen zu Depression und umgekehrt.
Praktische Hilfe kann dann so aussehen, dass man die betroffene Person fragt, was sie sich wünscht, sie ermuntert, das ohne falsche Scham oder Rücksicht zu sagen. Manch einer hilft es, wenn man sie bemuttert, ihr beispielsweise einen heiÃen Kakao macht, sie ins Bett bringt und wartet, bis sie eingeschlafen ist. Andere sind dankbar, wenn sie jemand ablenkt, zum Beispiel mit einem Kinobesuch. Die allermeisten profitieren davon, wenn ihnen jemand geduldig zuhört, wenn jemand mit ihnen die schrecklichen Gefühle wie Verzweiflung, Angst oder Wut aushält.
Manchmal werden konkrete Sterbefantasien geschildert. Viele sind dann sehr verunsichert und fragen sich, wie sie reagieren sollen. Ganz wichtig: Wenn jemand solche Fantasien oder sogar konkrete Pläne erzählt, ist das immer ernst zu nehmen! Aber es ist die Aufgabe von professionellen Helfern, letztlich einzuschätzen, ob die Situation buchstäblich todernst ist.
Wer mit Sterbefantasien konfrontiert wird, sollte über die eigenen Empfindungen reden, die das Gehörte in dem Moment auslöst. Schildern, dass man sich Sorgen macht, die Not der Freundin mitbekommen hat. Vorwürfe (»Das ist eine Todsünde«) und Bagatellisierungen (»Jeder hat mal eine schlechte Phase«) wirken kontraproduktiv und helfen so gut wie nie! Auch Ratschläge oder eigene Erfahrungen (»Bei mir wirkt Baldrian immer super«) führen meist eher dazu, dass die betroffene Person sich weiter zurückzieht. Viel besser ist es, ihr vorzuschlagen, jemanden aufzusuchen, der sich mit Suizidalität auskennt. Wer das Gefühl hat, die Freundin nicht allein lassen zu können, sollte auch darüber mir ihr sprechen, ihr sagen: »Das alles macht mir Angst, bitte, lass uns zusammen irgendwo hingehen, wo du mit jemandem reden kannst, der dir besser helfen kann als ich.«
Viele Betroffene fürchten sich davor, dass sie, suchen sie eine Klinik auf, dort sofort eingesperrt werden. Doch das ist sehr selten der Fall. Nur weil jemand an Suizid denkt, wird er oder sie nicht gleich zwangseingewiesen, das weià ich auch aus eigener Erfahrung! Ãber die Notaufnahmen der groÃen beziehungsweise der spezialisierten Krankenhäuser ist das Gespräch mit dem
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