Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
also Depressionen, Süchte, Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen, sind mit einer erhöhten Suizidgefahr verbunden. Gerade bei Depressiven wirkt die Krankheit wie ein Filter auf das Leben, der alles sinnlos und hoffnungslos erscheinen lässt. Die Betroffenen haben oft das Gefühl, dass sie sowieso nichts wert, nur eine Last sind. Für sie selbst und für die Welt scheint es das Beste zu sein, wenn sie nicht mehr leben.
Das Risiko für einen Suizid ist bei ihnen etwa dreiÃigmal höher als bei der allgemeinen Bevölkerung. Rund zehn Prozent der sehr schwer Depressiven, die stationär behandelt werden müssen, sterben bei einem Selbstmordversuch. Bei leichteren Depressionen sind es bis zu vier Prozent. 41
Wer mit sich und seinem Leben hadert, tut das â meistens unbewusst! â, weil sich der aktuelle Schmerz mit quälenden Gefühlen aus der Kindheit oder Jugend kombiniert. Mit Lebens- und Entwicklungskrisen, die emotional nicht so verarbeitet werden konnten, wie es für ein »dickes Fell«, für ein stabiles Selbst, wichtig gewesen wäre. Solange im Leben alles einigermaÃen glattläuft, fallen die vorherigen Krisen oft gar nicht besonders auf. Selbstzweifel, Enttäuschung oder Verlustängste können ganz gut gemanagt werden. Doch in einem emotionalen Ausnahmezustand wie einer Scheidung kommen die Gefühle aus der Vergangenheit mit aller Macht zurück. Die können an den frühen Tod des Vaters geknüpft sein, an eine ablehnende Mutter oder an einen sadistischen Lehrer. Die Empfindungen von früher werden durch die heutige Situation reaktiviert, sie verschmelzen miteinander â und belasten doppelt.
Viele Menschen sind suizidal aufgrund von Ereignissen, die von den meisten mehr oder weniger gut bewältigt werden. Da stellt sich die Frage: Warum zerbricht beispielsweise die eine Frau an etwas, was die andere, bei ähnlichen Bedingungen, aushalten kann? Die Gründe finden sich tatsächlich fast immer in der Vergangenheit, nicht selten in der Kindheit. Es muss sich dabei allerdings nicht ausschlieÃlich um ein frühkindliches Trauma handeln, es können auch Erlebnisse wie Mobbing im Sportverein sein, eine Tante, die vom Kopf abwärts gelähmt ist und deshalb rund um die Uhr gepflegt werden muss, oder ein Outing der eigenen Homosexualität, der nicht mit Akzeptanz, sondern mit Ablehnung begegnet wird. Sicher ist, dass sich die Gründe für eine suizidale Krise immer in der inneren, seelischen Welt und deren Verletzungen finden.
Wenn die Seele mit dem Konflikt aus aktuellen und alten Gefühlennicht fertigwird, diese einen groÃen inneren Kampf heraufbeschworen haben, beginnt oft eine Auseinandersetzung mit sich selbst, die unerträglich ist. So kann eine Frau bei einer Trennung zwar objektiv feststellen, dass vieles in der Ehe längst nicht mehr gut war und dass nach einer Trauerphase das Leben weitergeht. Im Inneren aber fühlt es sich vielleicht so an, als ob man grundsätzlich gescheitert wäre. Als ob man nicht von seinem Ehepartner, sondern von der Mutter verlassen wurde â was für jeden Menschen schwer auszuhalten ist. Der erwachsene »Kopf« (aktuelle Gefühle) und der innere »Bauch« (alte Gefühle) ringen dann äuÃerst quälend miteinander. Was es noch schwerer aushaltbar macht, ist, dass den meisten Menschen diese innere Dynamik aus aktuellen und alten Gefühlen in der Regel nicht einmal bewusst ist. Sie wird aber daran sichtbar, wie sich jemand verhält. Die einen verdrängen und stürzen sich in die Arbeit. Andere sitzen lethargisch das ganze Wochenende auf dem Sofa, von einer Depression gelähmt. Manche nehmen stark ab, können sich auch seelisch nicht »füttern«, sich nichts Gutes tun. Vielleicht aus Schuldgefühlen heraus, dem Gedanken, versagt zu haben. Andere nehmen massiv zu, hungern seelisch und körperlich nach Trost und Bemutterung. Einige reden überhaupt nicht über das, was sie bedrückt, andere haben nur noch das eine Gesprächsthema.
Doch längst nicht jede Frau, die mit vielen Krisen im Leben zu kämpfen hat, will sich deswegen umbringen. Nochmals gefragt: Wie kommt das? Wer psychisch stabil ist und gelernt hat, mit Krisen und Schicksalsschlägen umzugehen, hat normalerweise bestimmte Eigenschaften. Wie ein gesundes Selbstvertrauen. Den Glauben daran, selbst etwas bewirken zu können und das auch zu wollen. Ziele,
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