Kalt, kaltes Herz
schlenderte ziellos durch die Zimmer. Am liebsten hätte ich Kathy angepiepst und ihr gesagt, daß ich sie verstand und daß ich mich ihr nun seltsamerweise näher fühlte als je zuvor.
Kurz darauf läutete das Telephon. Da ich schon immer davon überzeugt gewesen bin, daß Menschen auf verschiedenen Wegen zum selben Punkt gelangen können, rannte ich ins Schlafzimmer, hob ab und hoffte, daß sie am Apparat sein würde. »Frank«, meldete ich mich.
»Gut, daß ich dich erreiche«, entgegnete Paulson Levitsky. Sein Tonfall war ernst.
»Was ist denn passiert?«
»Eine ganze Menge.«
Ich stellte mein Glas weg. »Schieß los.«
»Die vierte Leiche wurde eingeliefert. Vor etwa einer Stunde.«
»Oh, Gott, nein!« Mein Herz klopfte. »Männlich oder weiblich?«
»Weiblich.«
Ich holte tief Luft. »Dieselbe Vorgehensweise ?«
»Nicht ganz. Außerdem ist die Leiche teilweise verkohlt. Aber die Brüste fehlen, und die Scham wurde rasiert.«
»Wissen wir, wer sie ist?«
»Wieder eine Tänzerin.«
»Auch aus dem Lynx Club?«
»Sie hat dort gearbeitet. Gewohnt hat sie in Chelsea. Wegen der laufenden Ermittlungen habe ich sie auf den Tisch gekriegt.« Alles verschwamm mir vor den Augen, und meine Beine fühlten sich auf einmal bleischwer an. »Wo in Chelsea?«
»Irgendwo am Hafen, glaube ich. Die Feuerwehr hat sie gefunden, als es ihr endlich gelang, ins Gebäude einzudringen. Die gesamte obere Etage brannte. Wahrscheinlich hatte unser Täter keine Lust mehr, die Leichenteile zu vergraben.«
Mir war, als würde ich gleich ohnmächtig werden. Ich setzte mich auf den Boden und lehnte mich ans Bett. »Weißt du ihren Namen?«
»Lloyd.«
»Rachel Lloyd?«
»Richtig. Rachel Lloyd. Kennst du etwa jede Stripperin in diesem Laden?«
»Ich war ...«
»... großzügig mit den Trinkgeldern; kann ich mir denken. Hör mal, da wäre noch etwas Es war nicht dieselbe Waffe. Diesmal hat er eine längere Klinge benutzt.«
»Wie kommst du darauf ?«
»Ich kann an den Schnittstellen keine Gewebeschichten feststellen. Diesmal haben wir es mit glatten, etwa fünfzehn Zentimeter langen Einschnitten zu tun. Außerdem gibt es keine fibrösen Gewebeveränderungen an den Wundrändern. Allerdings muß ich eine Menge sekundärer Faktoren in Betracht ziehen – zum Beispiel Verflüssigung durch die Hitze. Aber ich würde sagen, wenn sie Brustimplantate hatte, hat sie sich diese erst vor kurzem einsetzen lassen.« Er hielt inne. »Bist du noch dran?«
»Sie hatte keine Implantate.«
»Ach, beinahe hätte ich's vergessen – du hast ja ein pornographisches Gedächtnis. War sie rasiert?«
»Nicht völlig.«
»Was für Klamotten hat sie getragen?«
»Warum?«
»Ich habe auf der Haut in der Nähe der Wunden ein paar borstige Haare gefunden. Tierhaare. Hatte sie einen Pelzmantel oder so was?«
Ich mußte an den Griff meines Jagdmessers denken. »Ich weiß nicht mehr.«
»Das hätte ich mir gleich denken können. Du erinnerst dich nur an das, was du siehst, nachdem sie sich ausgezogen haben.«
»Was sagt die Hancock dazu?«
»Die Frau Bürgermeisterin beharrt darauf, daß dieser Mord nichts mit den anderen zu tun hat. Zuwenig Übereinstimmungen, meint sie. Und Malloy hat bereits einen Blick in Lucas' Unterlagen geworfen. Die Lloyd war nicht bei ihm Patientin. All das paßt natürlich großartig in Hancocks Pläne, was ihre politische Karriere betrifft. Bald haben wir Wahlen, und sie kann sich damit brüsten, daß sie den Psychopathen von Lynn geschnappt hat. Auf die Stimmen aus Chelsea ist sie nicht angewiesen.«
»Was hältst du davon?«
»Ich denke, es ist derselbe Täter. Alle vier Leichen weisen Verstümmelungen an den Geschlechtsorganen auf. Drei der Opfer waren Lucas' Patientinnen, und zwei von ihnen haben im gleichen Laden gearbeitet. Wenn du mich fragst, handelt es sich um einen sehr beschränkten Personenkreis.« Er holte tief Luft. »Natürlich ist es möglich – wenn auch nicht sehr wahrscheinlich –, daß Lucas die ersten beiden umgebracht hat und ein phantasiebegabter Verrückter in seine Fußstapfen getreten ist. Das würde auch erklären, warum es immer wieder Abweichungen gibt.«
»Okay.«
»Was ist okay?«
Alles um mich herum schien in einen Dunstschleier gehüllt. »Ich rufe dich an, wenn ich etwas rauskriege.« Meine Stimme hörte sich wie die eines Fremden an.
»Du klingst aber nicht gut. Hast du was? Du nimmst doch nicht etwa wieder dieses Teufelszeug? Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um dir das
Weitere Kostenlose Bücher