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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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ersticken. Das Kind
wardrinnen
und mußte
raus.
Nur daß Kathy diesmal über das Wissen und die Geistesgegenwart verfügte, es zu retten.
    Ohne zu zögern, nahm sie das Skalpell vom Instrumententablett und machte unterhalb des Nabels der Frau einen gut zwanzig Zentimeter langen, diagonalen Schnitt. Nachdem sie die darunterliegenden Gewebeschichten durchtrennt hatte, griff sie mit beiden Händen in die Öffnung. Als sie sie kurz darauf wieder herauszog, zappelte ein blutverschmiertes, schreiendes Baby darin.
    Ich ging die Stufen hinauf und kehrte in den Aufenthaltsraum zurück, um auf Kathy zu warten. Es dauerte nicht lang, bis sie hereinkam. Als sie mich auf der Bank vor ihrem Spind entdeckte, erstarrte sie.
    Achselzuckend stand ich auf. »Ich bin in der Notaufnahme untersucht und für zurechnungsfähig erklärt worden.«
    »Ärzte sind nicht unfehlbar.«
    »Gilt das auch für dich?«
    »Klar. Aber nicht in deinem Fall.«
    »Hat Trevor dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
    »Er hat zur Zeit wichtigere Sorgen. Schließlich droht ihm lebenslänglich.«
    Sie wollte an mir vorbei, um ihre Sachen zu holen. Ich packte sie am Arm.
    »Laß mich los!« Vergeblich versuchte sie sich zu befreien. Dann holte sie tief Luft und schloß die Augen. »Du hast doch nicht gedacht, daß ich untätig zusehe, wie du dich mit deiner kleinen Nutte amüsierst.«
    »Wie bitte?«
    »Hast du wirklich geglaubt, ich lasse dir diesenMist noch einmal durchgehen? Bin ich nicht schon genug gedemütigt worden?«
    »Du hast es also nur aus Eifersucht getan?«
    »Ich würde es eher Erniedrigung nennen.«
    »Und du hast mich zwangseinweisen lassen, um es mir heimzuzahlen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Kapierst du es denn immer noch nicht?« stieß sie hervor. »Du bist vollkommen durchgeknallt. Man muß dich einsperren, um dich vor dir selbst zu schützen.«
    »Nein, das kapier ich wirklich nicht.«
    Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. »Es spielt auch gar keine Rolle mehr.« Sie drängte sich an mir vorbei zu ihrem Spind. Ich ging zum Aufzug und drückte den ABWÄRTS-Knopf. Die Tür öffnete sich. Bevor ich eintrat, drehte ich mich noch einmal um. Kathy wandte mir weiter den Rücken zu. »Du kannst deine Sachen jederzeit bei mir abholen«, meinte ich. »Und gib mir den Schlüssel zurück.«
    Ich ließ mich von einem Taxi zum Rover bringen und fuhr heim nach Marblehead. Ich brauchte ein wenig Ruhe, um meine Gedanken zu ordnen. Dutzende von Menschen hatte ich schon dazu gedrängt, ihre Angehörigen per Gerichtsbeschluß in die Entzugsklinik einweisen zu lassen. Und etwas in mir wollte immer noch glauben, daß Kathy die Zwangseinweisung aus lauter Sorge um mich eingeleitet hatte, auch wenn es ein Schritt in die falsche Richtung gewesen war. Allerdings ließ sich diese Deutung ihrer Motive nur schwer mit der abgrundtiefen Eifersucht vereinbaren, die ich in ihrem Gesicht gelesen hatte. Ich mußte sie beim Wort nehmen: Sie war in ihrer Wut zum Gericht gelaufen, um mich kleinzukriegen.
    Ich holte eine Marlboro aus dem Handschuhfach, zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und behielt den Rauch so lange wie möglich in der Lunge.
    Warum also scheute ich noch immer davor zurück, ihre Sachen zu packen? Die Antwort darauf war dieselbe, die ich meinen Patienten gegeben hatte, wenn sie sich fragten, warum sie von einer zerstörerischen Beziehung einfach nicht loskamen: Als Kind war ich nicht geliebt, sondern unterdrückt worden. Ich war, wie einer meiner Professoren es formuliert hatte, an einem vertrauten Ort ein Fremder geblieben. Kein Wunder, daß Kathy und meine Mutter sich miteinander verbündet hatten.
    Doch ich hatte ebenfalls meinen Teil zu dieser Misere beigetragen. Schließlich wußte ich, daß ein Mädchen, das sein Zuhause und seine kleine Schwester verliert, eine Todesangst vor jeglicher Form von Unordnung entwickeln kann. Außerdem war mir klar, daß eine Tragödie dieses Ausmaßes möglicherweise zu dem Wunsch führte, den Lebenspartner ganz und gar zu besitzen. Dennoch hatte ich Kathy nie wirklich Sicherheit vermittelt. Und ich hatte mich nie gründlich genug mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, um ihr zu helfen, ihre Ängste zu überwinden. Weit gefehlt – ich hatte sie festgehalten, wenn sie einen Wutanfall bekam, und sie gebändigt, bis ihr Gefühlsausbruch verebbte. Die Wahrheit war, daß Kathy und ich einander nie das gegeben hatten, was Rachel mir gab. Sie hatte mir die Chance eröffnet, mich der Trauer und dem Zorn in meinem Herzen zu stellen

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