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Kalt, kaltes Herz

Kalt, kaltes Herz

Titel: Kalt, kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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und sie dadurch zu lindern. Warum bekam man diese Art von Unterstützung nur so selten?
    Ich zog noch einmal kräftig an meiner Zigarette und ging vom Gas, als ich das neue Schild an der Ortsgrenze von Lynn passierte. LYNN. STADT DER SIEGER, stand darauf. Ich lächelte.Dieser Slogan gehörte zu der Kampagne der Stadtentwicklungskommission, die Lynn aufmöbeln wollte. Wir, die wir in diesen heruntergekommenen Straßen aufgewachsen waren, wußten, wie der Spruch richtig lauten mußte: Lynn, Stadt des Verfalls, die jedem Menschen ihren Stempel aufdrückte.
    Ich warf die Kippe aus dem Fenster, bog in die Atlantic Avenue ein und fuhr dann nach rechts in die Preston Beach Road. Eine Weile blieb ich in der Auffahrt im Auto sitzen. Irgend etwas stimmte nicht, obwohl ich nicht gleich begriff, was es war. Doch als ich weiter zu meinem Haus hinüberblickte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    Die Eingangstür stand einen Spalt weit offen. In der letzten Nacht hatte ich nicht zu Hause geschlafen, und ich konnte mich nur noch dunkel daran erinnern, daß ich mit Levitsky weggefahren war, um Emma Hancock zu suchen. Vielleicht hatte ich die Tür ja nicht richtig zugemacht. Schließlich war es schon öfter passiert, daß der Wind vom Meer her sie wieder aufgedrückt hatte. Aber ganz wohl war mir immer noch nicht. Ich tastete zwischen den Sitzen nach dem mit Fell überzogenen Griff meines Jagdmessers, doch es war nicht da. Also stieg ich aus und kauerte mich hinter das Auto, ohne dabei das Haus aus den Augen zu lassen. Wieder griff ich unter den Sitz. Nichts. Ich untersuchte
die
Fußmatten. Kein Glück. Wahrscheinlich hatte sich ein Langfinger den Rover vorgenommen, nachdem ich ihn am Straßenrand geparkt hatte, und den einzigen Gegenstand geklaut, der nicht festgeschraubt war. Möglicherweise war Malloy auch zurückgekommen, um alle Waffen zu beschlagnahmen, mit denen ich mich hätte umbringen können – oder ihn. Ich stand auf. Mein Taschenmesser hatte ich zwar noch, aber damit konnte ich den Einbrecher höchstens von einem eingewachsenen Fingernagel befreien.
    Ich öffnete vorsichtig den Kofferraum und holte den Kreuzschlüssel heraus. Dann ging ich den gepflasterten Weg zu meiner Tür hinauf, wobei ich absichtlich so laut wie möglich mit den Füßen schlurfte. Falls sich jemand im Haus befand, der gerade die Bilder von den Wänden nahm, wollte ich ihm die Gelegenheit geben zu verschwinden. Gegen Diebstahl war ich ja versichert und sah deshalb keinen Grund, warum er und ich unser Leben aufs Spiel setzen sollten. Ich läutete dreimal und rief laut »Hallo!« Keine Antwort. Also ging ich hinein.
    Drinnen herrschte Verwüstung. Ein Bein des umgestürzten Couchtisches war abgebrochen. Die Vorhänge waren zum Großteil heruntergezerrt worden, und Kathys Sammlung bunter Glasherzen lag in tausend Scherben neben der Wand. Kleine Dellen im Putz zeigten, wo sie aufgeprallt waren. Die Ölgemälde hingen noch, aber jemand hatte mein Lieblingsbild – die untergehende Titanic – aufgeschlitzt. Als ich mich weiter vortastete, bemerkte ich, daß eines der Polster des Sofas zerschnitten war. Das Telephon stand mit herausgerissener Schnur auf dem Boden. Wie erstarrt lauschte ich, ob sich oben etwas regte. Doch ich hörte nur das ferne Tosen der Brandung.
    Aber etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Das hier war nicht das Werk eines Fremden. Offenbar hatte Kathy wieder einen ihrer Wutanfälle gehabt, und ich war nicht dagewesen, um sie zu bremsen. Wahrscheinlich war sie nachts zurückgekehrt, um mit mir zu reden. Ich stellte mir vor, wie sie auf mich gewartet hatte und von Stunde zu Stunde zorniger geworden war, bis sie schließlich begriff, daß ich nicht mehr nach Hause kommen würde. Und dann ... Ich legte den Kreuzschlüssel aufs Sofa und ging nach oben.
    Ich hatte gehofft, Kathy hätte ihre Zerstörungswut aufs Erdgeschoß beschränkt, aber auf dem Treppenabsatz im ersten Stock wurde ich eines Besseren belehrt. Zerschmetterte Vasen lagen im Flur. Eine Collage aus welken Blumen und Wasserflecken prangte an den Wänden und auf dem orientalischen Läufer.
    Im Schlafzimmer sah es noch schlimmer aus als im Wohnzimmer. Die Eichenkommode war umgestürzt, der Spiegel am Schminktisch war zerbrochen. An der Tür bückte ich mich und hob ein mit Spitzen besetztes Kissen aus weißem Satin auf, das ich Kathy zum Valentinstag geschenkt hatte. Es roch versengt. Als ich es umdrehte, stellte ich fest, daß die eingestickten Worte SÜSSE TRÄUME,

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