Kalt, kaltes Herz
Sie dieses Drecksloch niemals wieder verlassen werden.«
Lucas' Gleichmut verflog. »Wo ist Kathy?« knurrte er.
»Kümmern Sie sich lieber um sich selbst. Wer weiß? Vielleicht ist der Bewährungsausschuß ja von Ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeindruckt und läßt Sie schon nach dreißig Jahren laufen.« Ich wandte mich zur Tür. »Frank!« rief Lucas.
Ich ging hinaus.
Als ich aus dem Gebäude kam, hielt Emma Hancock gerade am Straßenrand. Sie kurbelte das Beifahrerfenster herunter. »Was hat er gesagt?« fragte sie.
»Er behauptet steif und fest, wir wollten ihm was anhängen. Wir alle wären daran beteiligt: Sie, ich und ein halbes Dutzend Ärzte in Stonehill. Er hat sogar Kathy beschuldigt.«
Sie ließ die Fingernägel aneinander klicken. »Das soll doch nicht etwa heißen, daß er verrückt ist ...«
»Auf keinen Fall. Er kann Gut und Böse unterscheiden. Und er hat das Böse gewählt.«
»Na großartig. Bis morgen früh kann er reden, so viel er will. Er ist in Isolationshaft. Keine Anrufe, keine Besucher. Red Donovan möchte Komplikationen vermeiden. Morgen kommt er nach Concord in den Hochsicherheitstrakt. Dann sollen sich andere Leute mit ihm befassen.«
»Wunderbar.«
Lächelnd nickte sie einem vorbeigehenden Polizisten zu. »Ich habe erfahren, daß Sie mit der jungen Dame, die in Chelsea ermordet wurde, Kontakt hatten.«
Kontakt.
»Na und?«
Hancock zuckte die Achseln. »Das bedeutet, daß zwischen Ihnen und dreien der Opfer, Sarah, Monique und dieser Rachel, eine Verbindung besteht.«
Diese Rachel.
Die anonyme Ausdrucksweise versetzte mir einen Stich, aber ich verzog keine Miene. »Schön, dann besteht eben eine Verbindung zwischen mir und dreien der Opfer. Das trifft auch auf alle anderen Mitarbeiter des Stonehill Hospital zu, die ab und zu im Lynx Club waren. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf nichts Bestimmtes. Mir wäre es nur lieber, wenn Sie sich nicht ständig in kompromittierende Situationen begeben würden –ganz zu schweigen davon, daß es unmoralisch ist.« Sie sah mich eindringlich an. »Was ist denn mit Levitsky los? Warum beharrt er weiterhin darauf, daß es zwischen allen Morden einen Zusammenhang gibt ?«
»Er ist Statistiker. Und es verstößt gegen sein wissenschaftliches Weltbild, daß vier Morde im Umkreis von dreißig Kilometern nicht auf das Konto ein und desselben Täters gehen.«
»Wenn in Lynn noch ein Mord stattfindet, bin ich am Ende.«
»Mit dem Wahlkampf ?«
»Mit dem Wahlkampf und mit meinem Job. Der Stadtrat würde kurzen Prozeß mit mir machen – und zwar berechtigtermaßen. Aber wissen Sie was? Das spielt alles keine Rolle. Es ist nur wichtig, daß ich den Mann fasse, der Monique auf dem Gewissen hat. Heute bei der Beerdigung haben sie mich als Heldin gefeiert. Wenn der Mörder ...«
»Mein siebter Sinn sagt mir, daß Sie keine Angst vor einem weiteren Mord haben müssen. Und Ihnen geht es doch genauso. Vielleicht ist es das erstemal, daß wir beide einer Ansicht sind.«
Das schien sie zu beruhigen, aber sie bat mich, in der Nähe zu bleiben, falls noch etwas schiefging. Ich versprach es ihr. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, ihr von meinem Gastspiel in der Notaufnahme – und von Kathys Rolle in dieser Episode – zu erzählen. Doch dann beschloß ich, die Sache auf sich beruhen zu lassen.
»Morgen mittag um zwölf ist die Beerdigung.«
»Von Monique? Sie haben eben gesagt ...«
»Von Rachel«, unterbrach sie mich. »Im Bestattungsinstitut Korff in Swampscott.« Sie hielt inne. »Ich wußte nicht, wie nahe Sie sich standen.«
Ich räusperte mich. »Danke, Emma. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen.«
Ich verbrachte eine unruhige Nacht im Auto neben Kathys Volvo in der Garage des Stonehill Hospital. Ich wollte sichergehen, daß sie nicht versuchte, Lucas' Alibi mit einer fünften Leiche zu untermauern. Dann fuhr ich zu dem Bestattungsinstitut, einem riesigen Gebäude, das verloren zwischen drei Einkaufszentren stand.
Ich parkte auf der anderen Straßenseite und beobachtete die Wagen, die in den Parkplatz einbogen. Schwarzgekleidete Trauergäste strömten auf die riesigen, geschnitzten Türen zu. Ich fragte mich, ob Rachels Onkel auch dabei war. Mit zusammengebissenen Zähnen stellte ich mir vor, wie ich ihn mir schnappte, ihn hinaus auf den Gehweg schleppte und ihn in aller Seelenruhe zu Brei schlug. Doch dann schloß ich die Augen, und mir wurde klar, daß Rachel ihn nicht weggeschickt hätte. Sie hätte sich gefreut, wenn er sich
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