Kalt, kaltes Herz
Rohr, aus dem der mit Fell überzogene Griff meines Jagdmessers ragte. Ich zog es heraus. Die Klinge war blutverkrustet. »Was ist mit den anderen? Sarah und Monique zum Beispiel?«
Kathy verzog die Lippen. »Das waren Nutten«, antwortete sie. »Sie haben mich gedemütigt.«
»Und der Mann? Michael?«
»Ekelhaft.« Sie zerrte so fest an dem Riemen, daß er ihr die Haut einriß. Einen Moment wirkte sie ganz ruhig und betrachtete das Blutrinnsal, das ihr den Arm hinablief. Doch dann sträubte sie sich noch heftiger. Der Blutstrom wurde stärker. »Du hast eine ausgelassen, Frank. Anscheinend macht es dich ja geil anzuhören, wozu du und Trevor mich getrieben habt. Du weißt schon, wen ich meine.Rrrr...«
»Bitte nicht, Kathy!«
»Rrrrrachel.«
Mir brach der Schweiß aus. Meine Schläfen pochten. Ich umfaßte das Messer fester und kehrte zum Bett zurück. »Deine kleine Nutte, die Stripperin.«
Ich setzte mich rittlings auf Kathys Handgelenk. Sie trat um sich, aber es war zwecklos. Ich stellte mir vor, wie ich ihr das Messer unterhalb des Brustbeins in den Leib stieß und ihr die Aorta durchtrennte. Oder noch besser: wie ich sie zwang zuzusehen, während ich ihr die Brüste abschnitt. Ich ließ das Messer sanft über ihre Brustwarze gleiten. Dann fielen mir Rachels Worte ein:
Der Mensch ist nicht von Natur aus schlecht.
Ich hielt inne, schloß die Augen und erinnerte mich, daß Rachel mir etwas beigebracht hatte, was kein Psychiatrieprofessor mir je hatte eintrichtern können – daß jene, die es wagen, die Augen in der Dunkelheit zu öffnen, von einem strahlenden Licht gegrüßt werden.
Ich stand auf, kniete mich neben das Bett und holte die Spritze hervor.
Sie sah es. »Wehe, wenn du mir eine Spritze gibst«, keuchte sie. Aus meiner Tasche zog ich einen Riemen zum Abbinden und wickelte ihn um ihren Oberarm.
»Laß mich los!« schrie sie.
Ich malte mir aus, wie Rachel um ihr Leben gebettelt hatte. Mir schwindelte. Ich entfernte die Schutzkappe von der Nadel. Obwohl ich mich bemühte, Kathy festzuhalten, sträubte sie sich so heftig, daß die Nadel blutige Kratzer auf ihrem Arm hinterließ. Ich bemerkte, daß sie nicht einmal das Gesicht verzog. Erst beim dritten Versuch gelang es mir, ihr die Nadel in den Bizeps zu stechen. Ich warf mich mit meinem ganzen Gewicht auf Kathy, damit die Nadel nicht wieder herausrutschte, und drückte langsam den Kolben herunter.
Sie starrte die leere Spritze in meiner Hand an. »Ich bring dich um, du mieses Schwein!« Sie zappelte und trat zwar noch ein wenig, aber ihre Bewegungen wurden durch das Haldol und das Ativan schon schwächer. Schließlich drehte sie den Kopf weg und fing an zu schluchzen. Ich stand auf, setzte mich auf die Bettkante und wartete, bis sie tief und regelmäßig atmete. Nach einer knappen Minute lag sie reglos da.
Ich verabreichte ihr noch eine Dosis Ativan, damit sie auch nicht aufwachte, während ich den Rover holen ging. Mit ausgeschalteten Scheinwerfern fuhr ich auf den Strand und parkte vor der gläsernen Schiebetür, die in die Hütte führte. Eine Decke vom Rücksitz in der Hand, kam ich wieder herein.
Kathy hatte sich nicht gerührt. Sie lag mit angezogenen Beinen auf der Seite, die Hände noch immer über dem Kopf gefesselt, so daß es aussah, als würde sie beten. Ich fühlte ihr die gerunzelte Stirn. Dann breitete ich die Decke über sie und steckte sie an Schultern und Knien fest.
Ich löste den Gürtel, mit dem ihre Handgelenke ans Kopfbrett gebunden waren, und hob sie in meine Arme. Ihr Kopf sank an meinen Hals, so daß ich ihren warmen Atem spüren konnte. Ich trug sie ins Auto, legte sie auf den Rücksitz und fesselte ihr wieder die Hände.
Danach stieg ich ein, fuhr über den Strand zur Straße und bog in südlicher Richtung in die 1A ein. Zurück nach Rowley. Es dauerte nur zwanzig Minuten,
die
Stadtmitte zu erreichen. Doch mindestens genauso lange brauchte ich, um mich durch Seitenstraßen und durch die jungfräulichen Wälder vorzuarbeiten, die die Austin Grate Clinic umgaben. Diese hundert Jahre alte psychiatrische Heilanstalt wurde von ihrem Inhaber und Chefarzt Matt Hollander geleitet.
Hollander und ich hatten uns während meiner Tätigkeit als Assistenzarzt in Tufts kennengelernt. Damals war er in seinem letzten Dienstjahr und hatte sich erboten, einen Berufsanfänger unter seine Fittiche zu nehmen. Ich hatte ihn auf Anhieb sympathisch gefunden. Er war kahlköpfig und so übergewichtig, daß er beinahe wie eine Kugel
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