Kalt kommt der Tod (German Edition)
dass dieser Satz die Aufmerksamkeit Worobjows erregen würde, und so brachte er Carolin Riesenberg ins Spiel, die für seine Rückzugsstrategie mindestens so wertvoll war wie die Waffen und die Uniformen und der Container mit Equipment des russischen Geheimdienstes FSB.
102
Bremen.
»Es war sein Plan«, sagte Sylvia Brustedt. »Kurt und ich … wir … wir haben uns vor einem Jahr kennengelernt, als er auf Spitzbergen war, um Carolin zu besuchen. Carolin wurde krank und musste das Bett hüten. Sie bat mich …«
»Halt den Mund!«, fuhr Vollmer sie an.
»Hören Sie nicht auf ihn«, sagte Packer. »Er reißt Sie nur noch tiefer mit rein.«
»In diesen paar Tagen, die wir zusammen verbrachten, habe ich mich in ihn verliebt. Von Carolin wusste ich damals schon, dass sie sich von Kurt scheiden lassen wollte, es war nur eine Frage der Zeit, deshalb sah ich nichts Unrechtes darin. Die beiden hatten sich auseinandergelebt, jedenfalls waren das ihre Worte gewesen. Schon bald würde Kurt frei für mich sein, davon ging ich aus, alles käme in Ordnung. Ich wollte ihr von mir und ihm erzählen, aber Kurt wollte das nicht.«
»Sei doch endlich still!«, sagte Vollmer. »Wir sind nicht bei der Polizei. Hier kann niemand dich zu irgendetwas zwingen.«
Unsicher wanderten ihre Augen zwischen Vollmer und Packer hin und her.
Packer fragte: »Was ist in jener Nacht passiert, als Sie, Carolin und die englische Studentin aus dem Zelt verschwunden sind?«
Sylvia Brustedt zögerte, dann sagte sie: »Es wäre eine einmalige Chance, Carolin für eine Weile loszuwerden, hat Kurt gesagt, und damit gleichzeitig ein Geschäft zu machen. Er brauchte Geld. Bei einer Scheidung wäre ihm nichts geblieben. Die beiden haben einen Ehevertrag mit Gütertrennung, davon wusste ich bereits durch Carolin. Kurt sagte, in der Nacht würden russische Soldaten kommen und uns holen, ich solle mir keine Sorgen machen, es würde schnell gehen.«
Sylvia Brustedt fing an zu weinen.
»Es waren sechs Männer, sie hatten Skier, nachts um drei Uhr tauchten sie bei den Zelten auf, deaktivierten die Eisbärenfalle, die Carolin als verantwortliche Expeditionsleiterin am Abend vor dem Schlafengehen aufgestellt hatte, und drangen in unser Zelt ein. Ich wusste zwar, dass sie kommen, aber selbst ich habe sie nicht gehört. Ehe Carolin sich rühren konnte, stopften sie ihr einen Knebel in den Mund, zerrten sie aus dem Schlafsack und fesselten sie mit Plastikbändern an Händen und Füßen. Anschließend wurden wir nebeneinander auf einen Transportschlitten gelegt, zugedeckt und zu den Skidoos der Russen gezogen, die sie ein ganzes Stück vor dem Lager abgestellt hatten … Könnte ich ein Glas Wasser haben, bitte?«
Sie hielt das Glas in beiden Händen und trank.
»Es ging alles sehr schnell«, erzählte sie, noch immer liefen Tränen in einem stetigen Strom ihre Wangen hinunter.
»Ich war überrascht, weil sie mich so hart anfassten. Ich nahm an, sie würden mich einfach so mitnehmen, da ich ja in den Plan eingeweiht war. Die Plastikbänder schnitten tief ins Fleisch«, sie schob die Ärmel ihres Pullovers zurück, »es hat höllisch wehgetan, man sieht die Wundmale immer noch.«
»Hat Kurt Ihnen gesagt, warum die Russen Carolin wollten und was sie jetzt mit ihr vorhaben?«, fragte Packer.
»Es ging um ein Geschäft. Die Russen brauchten weitere Schwerlastschiffe von Carolins Vater, aber er wollte sie ihnen nicht zur Verfügung stellen. Carolin sollte ihr Druckmittel sein. Ohne das Wissen seines Schwiegervaters hatte Kurt ihnen schon zuvor vier Schiffe der Flotte zur Verfügung gestellt und sich diesen Dienst unter der Hand sehr gut bezahlen lassen. Aber Wladimir Choma wollte mehr. Kurt sagte, in den nächsten Wochen und Monaten müssten mehrere Hunderttausend Tonnen Ladung von Russland nach Spitzbergen transportiert werden, aber das Geschäft drohe zu scheitern, wenn sein Schwiegervater stur bleibe und auf seinem Nein beharre.«
»Es war also alles perfekt vorbereitet«, unterbrach Packer sie. »Eine Entführung, die den Russen die benötigten Schiffe bringen und gleichzeitig Kurt von seiner Frau befreien würde. War Ihnen bewusst, dass Carolins Leben auf dem Spiel stand?«
Sylvia Brustedt senkte den Kopf.
»Kurt sagte, die Russen würden sich um sie kümmern.«
»Wohin hat man Sie mit den Skidoos gebracht?«
»Nach Barentsburg, dort wurden wir getrennt. Mich brachte man in einem Privathaus am Hafen unter, wo ich warten sollte, bis Kurt mich holt. Was
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