Kalt kommt der Tod (German Edition)
mit Carolin passierte, weiß ich nicht, seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.«
Riesenberg saß wie gelähmt hinter seinem Schreibtisch und hörte gebannt zu.
Kokina behielt Vollmer im Auge, er hatte sich so postiert, dass Vollmer nicht an ihm vorbei zur Tür kam.
Packer war überrascht, wie direkt und ausführlich Sylvia Brustedt auf seine Fragen reagierte und sie beantwortete.
Er sagte, er wolle kurz unter vier Augen mit ihr sprechen, sie gingen ins Vorzimmer, Frau Schröder schickte er raus.
»Wie ist es so, ein Bungee-Mädchen zu sein?«, fragte er, als sie allein waren. »Steht Kurt auch auf Fesselsex?«
Er sah, wie sie nach Luft schnappte.
»Wenn Sie mir eine einzige Frage beantworten, fange ich nie wieder davon an«, fuhr er fort. »Ihre sexuellen Vorlieben interessieren mich nämlich nicht die Spur.«
»Und die wäre?« Ihre Augen wurden ganz schmal.
»Carolin, war sie auch eine von euch?«
»Sie versuchte, eine von uns zu sein, aber zu mehr als drei oder vier Ausflügen kam es nicht. Ich hatte ihr von den Bungee-Girls erzählt, sie wollte es ausprobieren, und das ist auch schon die ganze Geschichte. Es war einfach nicht ihre Welt.«
Sie kehrten in Riesenbergs Büro zurück, wo Packer die Befragung fortsetzte.
»Erzählen Sie uns von der toten Frau. Sarah Jones, die der Trapper gefunden und nach Longyearbyen gebracht hat, von einem Eisbären zerfleischt, aber schon vorher durch einen Kopfschuss getötet. Sie waren es nicht, wer also war es dann?«
»Darüber weiß ich nichts.«
»Sie lügen«, sagte Packer. »Tun Sie das nicht.«
»Du hast hier nichts zu melden, Phong!«, sagte Vollmer. »Lass dir von dem«, er wandte sich an Sylvia Brustedt, »keine Angst einjagen, das ist nur ein verkappter Bulle, dem sein Mädchen Hörner aufgesetzt hat.«
»Wie ich den Bullen kenne«, meinte Kokina, »wird er dir seine Hörner in die Eier rammen, wenn du weiter so daherredest.«
Sylvia Brustedt ruckelte unruhig in ihrem Sessel herum.
»Die Tote hat Ihre Sachen angehabt«, half Packer ihr auf die Sprünge. » Ihren Parker. Ihre Stiefel, sogar Ihre Unterwäsche hat sie getragen.«
Sylvia Brustedts Lippen begannen zu zittern. Sie brach erneut in Tränen aus, ihr ganzer Körper bebte.
»Ich hatte keine Ahnung, dass so etwas passieren würde. In der Nacht kam Sarah Jones in unser Zelt. In ihrem Zelt konnte sie nicht bleiben, der Sturm hatte es vollständig zerfetzt. Das andere Mädchen, mit dem sie es teilte, kroch bei den anderen unter. Ich wollte Sarah wegschicken, ich sagte, sie soll sich auch ein anderes Zelt suchen, weil bei uns schon die Messgeräte drinstanden. Ich wusste ja, was später in der Nacht passieren würde, und wollte sie heraushalten, aber Carolin meinte, bis zum nächsten Morgen würde es wohl gehen. Die Männer nahmen dann auch Sarah mit. Sie waren wütend, die dritte Frau gehörte nicht zum Plan. Der, den sie mit Boris anredeten, ließ den Konvoi unterwegs anhalten. Er holte Sarah vom Schlitten, zerrte sie ein Stück weg in den Schnee und hielt ihr seine Pistole an den Kopf. Eine Sekunde später drückte er ab. Den Schuss habe ich kaum gehört. Sarahs Kopf flog zurück, und sie fiel nach vorn und blieb liegen. Dann fing dieser Boris an zu brüllen. Zwei seiner Männer zogen Sarah aus. Er kam zum Schlitten, auf dem ich lag, und löste meine Fesseln. Er sagte, ich solle mich ebenfalls ausziehen, als ich zögerte, brüllte er mich an, auf Russisch, ich verstand kein Wort. Er verlangte sogar meine Unterwäsche und meine Schuhe. Meine Sachen brachte er zu den beiden Männern und kehrte mit Sarahs Kleidern zurück. Ich fragte nicht lange und zog alles an. Es war kalt und nicht der richtige Ort, um Fragen zu stellen. Die beiden Männer verschwanden mit Sarah in der Dunkelheit und kehrten erst nach einiger Zeit wieder zurück. Da lag ich bereits wieder gefesselt auf dem Schlitten, und wir setzten die Fahrt fort.«
Packer dachte, Boris Below ist ein gefährlicher Bursche, gefährlich, weil er klug ist und rücksichtslos. Eine unschlagbare Kombination. Die Frau hatte er vermutlich in der Wildnis zurückgelassen, weil er hoffte, ein Eisbär würde sie früher oder später finden. In diesem Fall würden von ihr bloß ein paar Stofffetzen übrig bleiben, die man leicht der Kleidung von Sylvia Brustedt zuordnen konnte. Man würde weiter nach Sarah Jones und Carolin Riesenberg suchen.
Aber nicht mehr nach Sylvia Brustedt.
»Haben Sie nie an Ihre Eltern gedacht?«, fragte Packer. »Wie ihnen
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