Kalt wie ein Brilliant
hatten.«
»Ja?«
»Sie hat eine Schwester, Patty,
von der Sie auch noch nie gehört haben. Aber Patty hat seltsamerweise von Ihnen
gehört und hat Sie sogar einmal getroffen: in Louises Wohnung. Patty meint, Sie
hätten einen schlechten Einfluß auf ihre kleine Schwester. Sie wären zu alt für
sie.«
»Da muß ein Irrtum vorliegen«,
sagte er gepreßt.
»Das wird sich zeigen«,
erwiderte ich zuversichtlicher, als mir zumute war. »Mir ist eben ein hübscher
kleiner Einfall gekommen. Das Gemälde, das dort an Ihrer Wand hängt, sieht
Louise verflixt ähnlich. Eigentlich kann das gar kein Zufall sein. Nehmen wir
einmal an, Sie sind der Fachmann, der gleichzeitig mit dem echten Diadem eine
Imitation davon machte. Dann verabredeten Sie mit Louise, daß sie das echte
gegen das falsche Diadem vertauschen sollte, wenn in Elmos Juweliergeschäft die
Werbeaufnahmen gemacht wurden. Was halten Sie von meinem Einfall?«
»Es ist kompletter Unsinn«,
schnarrte er. »Sie haben eine zu blühende Phantasie, Mr. Boyd!«
»Möglich«, räumte ich ein.
»Aber wir wollen doch einmal sehen, was das Original der Phantasie, die da an
der Wand hängt, dazu zu sagen hat.«
Während der Fahrt durch die
Stadt zu Louise Lamonts Liebesnest hatte ich Zeit genug, die Theorie, die ich
mir da zusammengezimmert hatte, noch einmal zu überdenken. Sie paßte wunderbar
auf den Fall, und gerade das kam mir unheimlich vor. Die Lösung war zu
unkompliziert. Im wahren Leben geht es anders zu, da fliegen einem die
gebratenen Tauben nicht in den Mund, sondern man muß gehörig schuften, ehe man
sie sich verdient hat.
Etwa eine halbe Stunde nach dem
Besuch bei Willie Byers stand ich vor der Wohnung von Louise Lamont und hielt
meinen Daumen fest auf den Klingelknopf neben der Tür gepreßt. Entweder war sie
noch einmal ausgegangen, oder sie legte keinen Wert mehr auf so späten Besuch.
Ich war drauf und dran, den ganzen Plan aufzugeben und mir zum Trost noch
irgendwo einen Drink zu genehmigen, als ich merkte, daß die Tür einen winzigen
Spalt breit offenstand. Ich legte mich mit meinem ganzen Gewicht dagegen, und
sie ließ sich ohne weiteres aufschieben.
Das Wohnzimmer war leer. Pete
hatte sich also offenbar von seinem Ausflug ins Land der Träume wieder erholt.
Ich hatte trotzdem das unbehagliche Gefühl, daß sich jemand in der Wohnung
befand, und zwar ganz in meiner Nähe. Ich rief ein paarmal: »Louise!« Keine
Antwort. Dann klopfte ich an die Schlafzimmertür. Nichts rührte sich. Ich ging
hinein. Auch dieses Zimmer war leer.
Auf dem Bett lagen Strümpfe und
hauchzarte Nylon-Unterwäsche griffbereit. Vor dem Ankleidespiegel standen
geöffnete Creme-Dosen, Tuben und Flaschen wild durcheinander. Aus dem Badezimmer
hörte man das gleichförmige Rauschen der Dusche. Der Fall war klar. Fünf
Sekunden lang spielte ich mit dem Gedanken, mich hier mäuschenstill zu
verhalten und zu warten, bis sie in hüllenlosem Glanz ins Zimmer kam und den
unerwarteten Gast entdeckte. Doch man konnte nicht wissen, wie sie auf diese
reizende Überraschung reagieren würde. Wenn sie laut genug schrie, würde man
mich aus dem Haus feuern, ehe ich den Namen Willie Byers in die Debatte werfen
konnte.
Höflich wie ich bin, klopfte
ich also an die Badezimmertür und wartete. Nichts geschah! Ich klopfte noch
einmal, diesmal lauter, dann hämmerte ich mit beiden Fäusten an die Türfüllung
und schrie dazu. Immer noch rührte sich nichts! Ich mußte wohl von Patty Lamonts Überängstlichkeit schon angesteckt worden sein. Das
Geräusch der immer noch laufenden Dusche fing an, mir unheimlich zu werden.
Wenn Louise den Lärm nicht hörte, den ich vollführte, mußte sie schon stocktaub
sein. Das war sie nicht, davon hatte ich mich vorhin überzeugen können.
Entweder war sie also ausgegangen und hatte vergessen, die Brause abzustellen,
oder sie war drin, und es war ihr aus gutem Grund nicht möglich, ein
Lebenszeichen zu geben. Die Türklinke gab nach, die Tür war also nicht
versperrt.
Fünf Sekunden später fand ich
Louise Lamont. Sie lehnte an der Kachelwand. Das klatschnasse blonde Haar
klebte an ihrem Kopf, wodurch sie seltsam unschuldig aussah wie ein kleines
Mädchen. Der Mund war wie in einem letzten erstaunten Aufschrei halb geöffnet.
Das Blut floß noch immer aus der häßlichen schwarzen Wunde auf ihrer Stirn.
Auf dem Kopf trug sie ein
glitzerndes Diamantendiadem, das in seinem kalten Glanz einen schneidenden
Gegensatz zu den weichen Rundungen und dem sanften
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