Kalt wie ein Brilliant
eineinhalb
Meter herangekommen. Auf diese geringe Entfernung war es unmöglich, ihn zu
verfehlen. Der erste Schuß traf ihn in die Brust, und ich atmete schon auf.
Doch er schüttelte sich nur, als hätte ihn eine Mücke gestochen, und tat noch
einen Schritt auf mich zu. Ich drückte wieder ab und traf ihn noch einmal in
die Brust, ohne daß der Schuß seinen Vormarsch aufgehalten hätte. Plötzlich
erfaßte mich blindes Entsetzen. War dieser Kerl unverwundbar? Ich schoß zum drittenmal . Die Kugel traf seine Halsschlagader. Einen
irrsinnigen Augenblick lang schien es Blut zu regnen. Dann ging das Licht aus.
In dieser Lage ließ ich mich
nur von meinem Instinkt leiten. Eine Sekunde, bevor das Zweizentnergewicht von
Pete über mich stürzen und mich erdrücken konnte, war ich mit einem langen Satz
von der Couch aufgesprungen. Als ich wieder halbwegs zu mir kam, merkte ich,
daß ich mitten im Zimmer auf dem Boden kauerte. Ich versuchte, in der
Dunkelheit Marty Estell zu erspähen und starrte in
die Ecke, in der ich ihn zuletzt gesehen hatte. Nicht einmal zu denken wagte
ich aus Angst, daß er es hören könnte — vom Atemholen ganz zu schweigen.
Wie lange ich in dieser
unbequemen Stellung verharrte, weiß ich nicht. Es schienen Tage zu sein. Dann
sah ich von der Diele her einen schwachen Lichtschein. Als ich gekommen war,
hatte Marty die Tür hinter mir zugeknallt. Jetzt stand sie offen. Entweder war
das ein Trick, um mich zu schnappen, oder Marty Estell war fort. Das würde sich gleich zeigen. Ich drückte noch einmal ab und begann
gleichzeitig, mich zur Seite zu rollen. Ich rollte etwa drei Meter weit, ohne
daß zurückgeschossen wurde. Soviel Kaltblütigkeit traute ich Marty nun doch
nicht zu. Ich richtete mich auf und ging vorsichtig zum Lichtschalter, der sich
neben der spaltbreit geöffneten Tür befand.
Die Deckenbeleuchtung flammte
auf. Das Zimmer glich einem Schlachtfeld. Das große Gemälde lag verkehrt herum
auf dem Boden. Die Wand dahinter war von Schüssen zerfetzt und geschwärzt. Von
Marty Estell war keine Spur zu entdecken. Vielleicht
hatte er es mit der Angst zu tun bekommen, als er merkte, daß Pete ihn nun
nicht mehr schützen konnte.
Ich ging hinüber zu der Couch,
die im Kampfgetümmel ganz dicht an die Wand gerückt war, und sah auf Pete
nieder. Er lag auf den Knien, halb über die Couch gebeugt, das Gesicht in den
dicken Kissen vergraben. Die Arme waren weit vorgestreckt, und die erstarrten
Finger hatten sich tief in die Rückenlehne der Couch gekrallt. Etwa an dieser
Stelle wäre mein Gesicht gewesen, wenn ich mich nicht im letzten Augenblick
durch einen Hechtsprung in Sicherheit gebracht hätte. Auf einem der Kissen
breitete sich langsam ein großer, dunkelroter Fleck aus.
7
Dem Glücklichen schlägt
bekanntlich keine Stunde, aber dem Unglücklichen muß es ähnlich gehen, denn ich
hatte das Gefühl, daß ich mindestens ein halbes Leben in Willie Byers’ Wohnung
zugebracht hatte. Der gutgeölte Polizeiapparat hatte sich prompt in Bewegung
gesetzt. Blitzlichtlampen hatten die Zimmer bis in den hintersten Winkel
erhellt. Der Leichenwagen war vorgefahren und hatte die beiden stummen
Fahrgäste zu einer letzten Fahrt eingeladen. Inzwischen war von dem Schwarm der
Polizeibeamten nur noch Leutnant Schell übriggeblieben. Er ging mit einem
Gesicht im Zimmer auf und ab, als sei er gerade erst angekommen und könne
seinen Augen noch nicht trauen.
»Ich komme mir vor, als würde
ich gezwungen, einen schlechten Film zum zweitenmal zu sehen«, wütete er. »Gestern erst sind Sie in Santo Bahia angekommen, und
schon haben Sie mir drei Tote geliefert. Zweimal Mord, einmal Notwehr, wenn man
Ihnen glauben darf. Zeugen haben Sie ja bequemerweise nicht. Ich schwöre Ihnen,
Boyd, wenn es schon für den elektrischen Stuhl diesmal nicht reicht, sorge ich
wenigstens dafür, daß Sie für 2ooo Jahre eingesperrt werden. Ich...«
»Leere Versprechungen«, fiel
ich ihm ins Wort. »Von wem stammt denn der geniale Einfall, mich hierher nach
Santo Bahia zu holen? Der kluge Leutnant Schell hatte sich ja alles fein
säuberlich zurechtgelegt, nicht wahr? Und wo ist der Mann, der mich
ununterbrochen beschatten sollte?«
»Ach, das war nur so eine
Redensart, damit Sie besser spuren. Die Polizei hat schließlich Besseres zu
tun!« fauchte er. »Aber ich hätte mir denken können, was passiert, wenn man
einen Verrückten wie Sie frei herumlaufen läßt...« Er bedeckte das Gesicht mit
den Händen und
Weitere Kostenlose Bücher