Kalt wie ein Brilliant
leerte ihre Kokosnußschale .
Eine halbe Minute später sagte
ich: »Der einzige Nachteil dieser netten, abgeschlossenen Nische ist, daß nicht
einmal ein Kellner uns hier sieht. Wenn ich in den nächsten fünf Sekunden keine
Bestellung aufgeben kann, werde ich auf den Tisch klettern und...«
»Und?« wiederholte Tamara
gespannt.
Wie vom Donner gerührt hielt
ich mitten im Satz inne. Seelenvergnügt und mit einem strahlenden Lächeln auf
den Lippen steuerte Patty Lamont geradewegs unseren
Tisch an. Zu spät fiel mir ein, daß ich sie hätte anrufen müssen. Zu spät
begriff ich, wie unvorsichtig es gewesen war, mich ausgerechnet in der Bar
meines eigenen Hotels mit Tamara zu verabreden.
Als Patty herangekommen war,
rappelte ich mich auf und stammelte ein paar zusammenhanglose Worte.
»Stell dir vor, Liebling«,
sprudelte sie hervor, »etwas Wundervolles ist geschehen. Vor einer halben
Stunde habe ich Leutnant Schell angerufen, und er meint, die Polizei sei davon
überzeugt, daß Estell nicht mehr in der Stadt ist.
Ich könnte ruhig in meine eigene Wohnung zurückgehen. Da habe ich mir gedacht:
Schaust einmal in der Bar nach, ob Danny vielleicht noch einen Drink vor dem
Essen nimmt. Und wirklich — hier bist du!« schloß sie siegesbewußt .
»Ja«, wiederholte ich
stumpfsinnig. »Hier bin ich. Ach so, Patty: dies ist Miss O’Keefe. Miss
O’Keefe, das ist...«
»Tag, Patty«, meinte Tamara
freundlich.
»Wie geht’s, Tamara?« Patty
ließ sich ohne weiteres auf dem freien Stuhl uns gegenüber nieder.
»Ihr kennt euch?« fragte ich
verblüfft.
»Ja, was haben Sie denn
gedacht?« meinte Tamara gelassen. »Wir sind doch zusammen zur Schule gegangen!«
Ihr Gesicht wurde ernst. »Es tut mir so leid, daß Louise...«
»Dank dir schön, Tamara!«
Pattys Augen wurden feucht. »Ich versuche, nicht ständig daran zu denken. Es
war zu schrecklich.«
»Natürlich, Liebes«, sagte
Tamara mitfühlend und drückte ihr teilnehmend die Hand.
Endlich erschien der Kellner.
Ich bestellte für Tamara und mich noch einmal dasselbe. Dann sah ich Patty
fragend an.
»Aber Danny!« sagte sie milde.
»Etwa noch einen Drink vor dem Essen! Du weißt doch: Allzuviel ist ungesund!« Als sie meinen giftigen Blick auffing, wurde sie ein bißchen
blaß.
»Nun, wenn du unbedingt willst,
Liebster... Aber ich möchte jetzt nichts, vielen Dank. Ich warte nur, bis du
fertig bist.«
Ich brauchte Tamara nicht
anzusehen, um zu wissen, daß ihr Gesicht ein einziges Fragezeichen war. Der
Kellner kam mit den Drinks zurück. Als er gegangen war, hing einige Minuten
lang ein gewitterschwüles Schweigen zwischen uns.
»Was für ein drolliger Zufall,
daß ihr euch kennt, ohne daß ich etwas davon weiß«, meinte Patty schließlich
katzenfreundlich. Nie war mir die Wahrheit des abgedroschenen Sprichwortes
»Reden ist Silber, Schweigen ist Gold« mehr zum Bewußtsein gekommen als in
diesem Augenblick.
»So drollig ist das nicht«,
meinte Tamara gleichgültig. »Santo Bahia ist keine Großstadt, da lernt man sich
schnell kennen.« Patty sah mich mit feuchten Augen an, die mir jetzt, wie ganz
am Anfang unserer Bekanntschaft, wieder wie nasse schwarze Oliven vorkamen.
»Wir sollten doch keine Geheimnisse voreinander haben, Liebling!« Eine leichte
Röte stieg in Pattys Wangen. »Ach, hätte ich das eben nicht sagen dürfen?« Sie
legte mit einer besitzergreifenden Bewegung eine Hand auf meinen Arm. »Aber
weißt du, Danny, von mir aus kann jeder wissen, wie wir zueinander stehen.«
»Das ist ja eine ganz
romantische Geschichte«, sagte Tamara, mühsam gefaßt. »Erzähl mir doch noch
etwas mehr davon, Patty!«
Jetzt oder nie, dachte ich.
Wenn ich nicht sofort eingriff, war in fünf Sekunden der schönste Krach im
Gange.
»Patty«, unterbrach ich rasch,
»pack doch jetzt gleich deine Sachen zusammen und geh zurück in deine Wohnung.
Ich habe hier noch einiges zu erledigen, aber wenn ich fertig bin, komme ich zu
dir.«
»Wie schade«, sagte sie. »Ich
dachte, wir könnten zusammen essen. Vielleicht würde Tam uns Gesellschaft
leisten, Liebling? Das wäre wirklich nett.«
»Kommt gar nicht in Frage«,
beschied ich sie kurz. »Was ich zu erledigen habe, ist dringend.«
Sie stand zögernd auf. »Na
schön, dann gehe ich jetzt. Es war wirklich nett, dich wieder mal zu sehen, Tam.
Halte Danny nicht zu lange auf, nein?«
»Darauf kannst du dich
verlassen«, versprach Tamara grimmig.
Nachdem Patty gegangen war,
herrschte wieder drückendes Schweigen.
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