Kalte Freundschaft
ihre restlichen Belegexemplare fächerartig auf der Wohnzimmerkommode arrangiert, doch in den Leidener Buchhandlungen liegt kein einziges Exemplar ihres Romans auf den Tischen mit Neuerscheinungen.
»Dann nehmen wir die Sache eben selbst in die Hand«, beschließt Tom. »Wir holen deine Bücher aus den Regalen und legen sie aus.«
Gesagt, getan! Inkognito - mit Sonnenbrille und hochgeschlagenem Kragen - betreten sie die Buchhandlung Kooyker in der Breestraat.
Kurz entschlossen holt Tom die vier vorhandenen Exemplare aus dem Regal und geht damit zur Kasse.
»Was hast du vor?«, zischt Nadine. »Du willst die doch nicht etwa kaufen?« Sie hält ihn am Arm fest.
»Nein, ich will sie anpreisen.«
»Lass das! Ich schäme mich ja zu Tode!«
Demonstrativ entfernt sie sich mehrere Schritte und inspiziert das Zeitschriftenangebot.
Tom legt die Bücher auf den Ladentisch.
»Bestimmt alles Geschenke, oder? Soll ich sie einpacken?« Die Verkäuferin greift bereits nach der Rolle mit dem Einschlagpapier.
»Kaufen will ich nur eines«, sagt Tom. »Und ich lasse es hier, leihe es Ihnen sozusagen. Das Buch ist es unbedingt wert, gelesen zu werden. Legen Sie es neben die Kasse und empfehlen Sie es Ihren Stammkunden. Wer Zweifel hat, darf mein Exemplar für ein paar Tage mit nach Hause nehmen und es anlesen. Was halten Sie davon?«
Die Verkäuferin sieht ihn verdutzt an. »Ich weiß nicht so recht …«
Nadine blättert beiläufig in einer Reisezeitschrift und schielt hin und wieder zur Kasse.
Ein großer blonder Mann kommt auf Tom zu. »Eine originelle Idee, wirklich!«
»Sind Sie der Abteilungsleiter?« Tom gibt dem Mann die Hand. »Ich kenne die Schriftstellerin persönlich, sie steht da drüben bei den Zeitschriften und wäre bereit, einmal bei Ihnen zu lesen.«
»Das lässt sich bestimmt machen.« Er wirft einen interessierten Blick auf Nadine, die ihm verlegen zunickt. »Und der Name bitte?«
»Nadine van Mourik.« Tom hält ihm demonstrativ ein Buch vor die Nase. »Am besten nehmen Sie mit ihrem Verlag Kontakt auf.«
»Gut, das machen wir.« Wieder nickt der Buchhändler
Nadine zu und macht sich dann an der Ladentheke eine Notiz.
»Was fällt dir ein?«, schimpft Nadine, als sie mit Tom das Geschäft verlässt. »Mach so was bitte nie wieder! Die Leute müssen mich ja für kontaktgestört halten!«
»Na und? Schriftsteller dürfen ruhig ein bisschen exzentrisch sein, das ist gut fürs Image. Lektion Nummer eins: Nutze jede Gelegenheit, um für dein Buch Werbung zu machen.«
Er bleibt vor der Ladentür stehen und dreht sich um. Nadine folgt seinem Blick. An der Kasse liegen nun vier Exemplare von Narben . Eine Kundin nimmt das oberste Buch und blättert interessiert darin. Kurz darauf gibt sie es der Verkäuferin und zahlt.
»Und wieder eins verkauft! Na, was hab ich gesagt?!« Triumphierend zieht Tom sie mit. »So, jetzt gehen wir Kaffee trinken. Du lädst mich ein.«
29
Das Restaurant »Koetshuis« grenzt an die Leidener Burcht, einen Festungsbau aus dem zwölften Jahrhundert auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel inmitten der Altstadt.
»Kommst du mit deinem neuen Buch voran?«, fragt Nadine, als sie an einem Tisch am Fenster Platz genommen haben.
»Ich hab noch gar nicht richtig angefangen.« Tom winkt der Kellnerin, die ihm mit erhobenem Daumen signalisiert, dass sie ihn gesehen hat. »Zum einen, weil noch nicht alle Verlage auf mein letztes Manuskript reagiert haben. Und zum anderen fällt es mir seit Joellas Tod schwer, mich auf Probleme von Menschen zu konzentrieren, die es nur in meiner Fantasie gibt.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»So ein tragischer Vorfall lässt einen vieles mit anderen Augen sehen«, sagt Tom. »Mir ist dadurch klar geworden, dass mein Leben nicht davon abhängt, ob ich etwas veröffentliche oder nicht.«
»Träumst du denn gar nicht mehr davon?«
Tom wirkt so abwesend, dass Nadine glaubt, er
habe sie überhaupt nicht gehört. Doch dann sieht er sie an, und in seinen Augen liegt ein Schimmer von Melancholie.
»Ich träume von ganz anderen Dingen.«
»Von was denn?«
»Sagen wir mal, von den unspektakulären Dingen, die das Leben lebenswert machen: ein sicherer Arbeitsplatz, ein netter Freundeskreis, ein gemütliches Kaffeetrinken mit dir …«
Irgendetwas stimmt nicht mit Tom, das verraten sein verkrampftes Lächeln und der traurige Blick.
Die Kellnerin bringt zwei Cappuccino.
»Wie läuft es denn mit Eelco? Seid ihr überhaupt noch zusammen? Sonst
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