Kalte Freundschaft
kommen?«
»Mit Sicherheit, denn es wird kein Eintritt erhoben - die Lesung ist gratis. Wir stellen Stühle auf, du sitzt am Mikrofon, und wer Interesse hat, setzt sich hin und hört zu. Bestimmt kaufen danach viele dein Buch. Was hältst du davon?«
Bei der Vorstellung, öffentlich zu lesen, wird Nadine angst und bange. Sie sieht die leeren Stuhlreihen bereits vor sich.
»Aller Anfang ist schwer«, meint Cynthia sachlich. »Du wirst nicht die erste und nicht die letzte Autorin sein, die vor gerade mal zehn Leuten liest. Das macht natürlich nur begrenzt Spaß, aber diese zehn Leute kennen dich dann, erzählen zu Hause und im Freundeskreis davon, und wenn du oft genug in der Öffentlichkeit auftrittst, entsteht der sogenannte Schneeballeffekt.«
Zehn Zuhörer - das wäre ja schon toll. Nadine kann sich zwar kaum vorstellen, dass jemand extra wegen ihr in die Buchabteilung des Kaufhauses kommt, ist aber fest entschlossen, es dennoch zu wagen.
Um das Erscheinen ihres Romans zu feiern, lädt Nadine ihre Freunde und Verwandten in die »Bonte Koe« ein.
Ihre Eltern treffen als Erste ein, strahlend vor Stolz. Nach und nach füllt sich der Raum. Nadine stößt mit ihren Gästen auf das Buch an und liest anschließend ein Kapitel daraus vor. Danach überreicht Cynthia ihr unter donnerndem Applaus, und nun ganz offiziell, das erste Exemplar.
Nadine hat einen Teil ihrer Belegexemplare mitgebracht und verteilt sie großzügig an die Gäste. Von der nächsten Auflage wird sie ohnehin neue bekommen. Sofern es eine nächste Auflage geben wird - doch diesen Gedanken schiebt sie schnell beiseite, denn sie glaubt fest daran, dass ihr Roman ein Erfolg wird.
Jedes Mal, wenn sie an Joella denkt, bekommt ihre Freude einen Dämpfer. Manchmal träumt sie von ihr und wacht dann mit einem unguten Gefühl auf, das sich den ganzen Tag nicht abschütteln lässt.
»Es ist nicht nur wegen Joella«, sagt sie, als sie eines Abends ihre Eltern besucht. »Ich mache mir auch Gedanken um Marielle. Sie ist so … anders.«
»Wie meinst du das?« Wie immer, wenn es um ihre Enkelin geht, wird Nadines Mutter hellhörig.
»Sie ist ungewöhnlich still, hockt fast nur noch in ihrem Zimmer, geht überhaupt nicht mehr aus.«
»Darüber solltest du eher froh sein, schließlich weißt du dann immer, wo sie sich aufhält. Und jetzt im Herbst wird es ohnehin wieder so früh dunkel«, gibt Anna zu bedenken.
»Dass die beiden Morde aber immer noch nicht aufgeklärt sind!«, sagt ihr Vater. »Ich darf gar nicht daran denken, dass der Täter weiterhin frei herumläuft. Du passt doch gut auf das Kind auf, Nadine, ja?«
»Wie gesagt, Marielle geht abends kaum aus dem Haus.«
»Und du?«
»Wenn ich mich mit meinen Schreibfreunden treffe, bringt Tom mich nach Hause, oder auch Matthijs. Keine Sorge, ich bin vorsichtig.«
»Und was macht Marielle, wenn du abends weg bist?«, fragt Anna.
»Sie ist zu Hause, was sonst? Dass sie niemandem die Tür aufmachen soll, weiß sie.«
»Schon, aber hält sie sich auch daran? Ich an deiner Stelle würde hin und wieder Stichproben machen und anrufen«, so Cor.
»Noch besser wäre es, du bleibst ebenfalls zu Hause«, pflichtet Anna bei. »Ehrlich gesagt, Nadine, ich finde es unverantwortlich von dir, dass du das Kind so oft allein lässt.«
Nadine nimmt einen Schluck Tee. Ruhig bleiben, nur nicht aus der Haut fahren. Dass ihre Eltern sich Sorgen machen, kann sie ihnen kaum übel nehmen.
Aber insgeheim ärgert sie sich doch. Ihre Mutter tut gerade so, als würde sie, die sich als alleinerziehende Mutter doch wirklich erfolgreich durchs Leben schlägt, nur ihrem eigenen Vergnügen nachjagen.
»Soll ich etwa ständig zu Hause hocken? Ich ergreife Vorsichtsmaßnahmen, das wird ja wohl reichen!«
Ihre Mutter scheint das nicht zu überzeugen. Sie sagt zwar nichts mehr, schüttelt aber missbilligend den Kopf.
Es hat geklappt. Sie ist tot, und kein Mensch ahnt, dass ich es war. Es war mehr als riskant, Joella auf offener Straße niederzuschlagen, aber niemand hat etwas bemerkt.
Über eine eventuelle DNA-Untersuchung habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht. An der
Lacklederjacke, die Joella anhatte, dürften kaum Spuren zurückgeblieben sein.
Die größte Gefahr bestand darin, gesehen zu werden, deshalb musste ich schnell und gezielt handeln. Das fiel mir nicht schwer, zumal ich Joella noch nie leiden konnte. Sie hat einen miesen Charakter und sich Nadine gegenüber schäbig verhalten. Es war eine echte
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