Kalte Freundschaft
die Sofalehne und legt den
Kopf in die Hand. »Ich versteh einfach nicht, warum er so Knall auf Fall Schluss gemacht hat. Es gab überhaupt keinen Grund dafür. Im Gegenteil: Ich hatte den Eindruck, dass es ihm schwerfiel. Eigentlich müsste ich ihn nun hassen …«
»Für das, was er getan hat«, sagt Sigrid. »Aber den Menschen, den du in ihm gesehen hast, liebst du nach wie vor.«
Nadine nickt gedankenverloren.
Mit Marielle hat sie kaum über die Sache gesprochen, sondern ihr nur mitgeteilt, dass es mit Eelco aus ist. Ein längeres Gespräch schien ihr nicht angebracht, zumal bei Marielle jede Menge Klassenarbeiten anstehen. Die meiste Zeit sitzt sie in ihrem Zimmer und lernt. Seit Kurzem geht sie samstagabends wieder aus, verschläft dann den halben Sonntag und lernt anschließend wieder bis spätabends.
Eines Montags im Januar ruft Cynthia in Nadines Mittagspause an. Sie steht gerade mit ein paar Kollegen im Freien.
Sie nimmt das Handy aus der Tasche und meldet sich.
»Nadine, ich hab eine gute Nachricht: Wir drucken eine neue Auflage deines Buchs!«
»Oh, das ist ja fantastisch! Das heißt, es verkauft sich mittlerweile gut?«
»Ja. Das Weihnachtsgeschäft ist so gut gelaufen, dass wir jetzt fünftausend Exemplare nachdrucken wollen.«
»Wow, da bin ich platt!«
»Manches Buch braucht nun mal eine längere Anlaufzeit. Ich bin jedenfalls froh, dass sich die Dinge so entwickeln. Aber es überrascht mich auch nicht, denn ich habe immer an dich geglaubt«, sagt Cynthia.
Als Nadine auflegt, strahlt sie übers ganze Gesicht, sodass die Kollegen aufmerksam werden.
»Was ist? Wer war das?«, fragt Marijke.
»Meine Verlegerin. Sie drucken mein Buch nach.«
Arnout klopft ihr auf die Schulter. »Glückwunsch! Das freut mich für dich.«
Auch die anderen gratulieren, und Marijke umarmt sie spontan. »Das hast du mehr als verdient, Nadine!«
Inzwischen ist die Mittagspause um, und die Kollegen streben wieder zu ihren Schreibtischen. Nadine bleibt noch ein paar Minuten im Freien und wählt Eelcos Nummer. Wie immer in letzter Zeit erreicht sie nur den Anrufbeantworter und hinterlässt eine kurze Nachricht.
Eelco ruft nicht zurück, dafür reagiert Marielle umso begeisterter, als Nadine gegen sechs nach Hause kommt.
»Sie drucken nach? Das ist ja toll, Mam! Es wundert mich allerdings nicht, weil ich laufend Werbung für dich mache. Neulich musste jemand aus meiner Klasse ein Referat über ein Buch halten, und ich hab deines empfohlen. Die anderen waren hin und weg und wollten alle das Buch lesen.«
»Mir scheint, du bist auf eine Taschengelderhöhung aus, was?« Nadine lacht und drückt ihre Tochter liebevoll an sich.
»Was essen wir heute? Das muss doch gefeiert werden!« Marielle eilt zum Kühlschrank und rümpft die Nase, als sie das Gemüsefach inspiziert.
»Und ob! Wie wär’s, wenn wir essen gehen?«
»Cool! Ich zieh mich rasch um!« Marielle ist bereits auf der Treppe.
Nadine tuscht sich gerade die Wimpern, als es klingelt. Sie läuft nach unten, um zu öffnen.
Erst sieht sie nur einen gigantischen Rosenstrauß, dann taucht Arnouts Gesicht dahinter auf.
»Für die beste Schriftstellerin, die ich kenne!« Er grinst leicht verlegen.
Strahlend nimmt Nadine die Rosen in Empfang. »Arnout, ich bin echt gerührt! Tausend Dank! Aber komm doch rein …«
»Ich freue mich so für dich«, sagt er im Flur.
»Es gibt mir enorm Auftrieb«, bestätigt Nadine. »Ich hatte mich fast schon damit abgefunden, dass mein Buch bald verramscht wird.« Sie stellt die Rosen in der Küche in einen weißen Emaileimer. »Sieht doch gut aus, oder? Am besten lasse ich sie da drin. Für so einen Riesenstrauß hab ich ohnehin keine passende Vase.«
Marielle kommt hinzu, schick angezogen und frisch geschminkt.
»Wollt ihr ausgehen?«, fragt Arnout.
»Mam geht mit mir essen«, sagt Marielle.
»Dann will ich nicht weiter stören. Ich wollte nur rasch die Blumen abgeben.«
Nadine bringt ihren Kollegen zur Tür.
Als sie allein im Flur steht, nimmt sie ihr Handy vom Garderobenschränkchen und sucht im Verzeichnis nach Eelcos Nummer. Doch dann klappt sie das Handy wieder zu.
32
Als Nadine am nächsten Morgen in die Redaktion kommt, sitzt Arnout an seinem Schreibtisch - offenbar schon seit einer ganzen Weile, denn vor ihm stehen zwei leere Kaffeebecher, und er hat einen Stapel Archivmappen vor sich.
Nadine löst den Gürtel ihres Wintermantels, stellt sich hinter Arnout und späht über seine
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