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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Blick kreuzte sich mit Hagens. Ihr Freund saß am Küchentisch und sah sie mit großen Augen an. Seine Lippen formulierten eine stumme Frage.
    »Ralf, was willst du?«
    Das Kichern am anderen Ende der Leitung erstarb. Stattdessen war nur noch ein Schnaufen zu hören.
    Hagen fuchtelte jetzt aufgeregt mit den Händen. Brötchenkrümel flogen über den Tisch. Tania begriff nicht, was er ihr sagen wollte.
    »Ralf, was soll das?«, flüsterte sie.
    Keine Reaktion. Nur das schwere Atmen, fast noch widerlicher als das gehässige Kichern zuvor.
    »Hast du Frank getötet?«
    Hagen schüttelte entsetzt den Kopf. Nein, nein, nein!, formte sein Mund. Frag ihn etwas anderes. Frag ihn …
    »Ralf, sag mir bitte, wo du steckst.«
    Jetzt hatte auch das Schnaufen aufgehört, aber die einsetzende Stille war schlimmer als jede direkte Drohung.
    Tania war mitten in der Küche erstarrt. »Ich habe der Polizei von dir erzählt.«
    Schweigen.
    »Sie weiß Bescheid. Über alles.«
    Nichts.
    »Die Beamten suchen dich.«
    Hagen sprang von seinem Platz auf, umrundete den Tisch, griff nach dem Telefon, aber Tania schubste ihn weg.
    »Du machst es nur noch schlimmer!«
    Ein spöttisches Glucksen ertönte aus dem Hörer. Es klang nicht nach Ralf. Sie hatte sein Lachen anders in Erinnerung. Es gibt Mittel und Wege, eine Stimme zu verfremden, manche sind ganz einfach.
    Tania schauderte, als die fremde Stimme plötzlich zu ihr sprach.
    »Was?«, rief Tania.
    Dann knackte es in der Leitung, und das Gespräch war beendet. Noch immer rührte Tania sich nicht von der Stelle. Sekunden summierten sich zu Minuten, ohne dass sie sich bewegte. Erst als ihr Arm zu schmerzen begann, ließ sie das Handy sinken. Es entglitt ihrer Hand und fiel auf den Tisch. Ihre Finger zitterten. Ihr Atem ging stoßweise.
    Sie machte einen vorsichtigen, tastenden Schritt nach vorn, dann noch einen. Langsam kehrte das Leben in sie zurück. Sie setzte sich auf einen Stuhl.
    »Was hat er gewollt?« Hagen ging vor ihr in die Hocke, hielt ihre Hände fest.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Er muss doch etwas gesagt haben!«
    Tania nickte und klopfte ihre Jeans nach Zigaretten ab. Die Hosentaschen waren leer.
    »Und? Was?«
    Auch auf der Küchenanrichte fand sie die Lucky-Strike -Schachtel nicht. Sie stand auf, stolperte auf wackeligen Beinen ins Wohnzimmer, wo sie ihre Handtasche durchstöberte.
    »Tania, was tust du da?«
    Sie drehte die Decken auf der Schlafcouch um. Ihre Suche wurde immer verbissener. »Wo sind die verdammten Zigaretten?«
    »Hier in der Küche. Auf der Mikrowelle.«
    Tania eilte nach nebenan und steckte sich mit zitternden Händen eine Zigarette an. Sie inhalierte den Rauch und konzentrierte sich auf den herben Geschmack.
    »Jetzt sag endlich«, drängelte Hagen. »Was hat er gemeint?«
    Sie stieß den Qualm aus. Hat er tatsächlich mit mir gesprochen? Und hatte sie ihn richtig verstanden?
    »Er hat mir eine Frage gestellt.«
    »Was für eine Frage?«
    Widerstrebend fiel Tanias Blick auf den Fernseher im Wohnzimmer. »Heute schon Nachrichten geguckt?«

80
    Dort, wo die Prenzlauer Promenade in die Autobahn überging, inmitten der Betonwüste Pankows, flatterten zwei Fotos in Seras Schoß.
    »Von wegen Nacktmodell!« Blundermann, der auf dem Rücksitz saß, brummte missmutig. »Ich hatte Unterwäsche an.«
    Gesing, der den Wagen steuerte, schielte verstohlen auf die Bilder. Sie zeigten seinen Kollegen, ein paar Jahre jünger und ein paar Pfunde leichter. Die Ähnlichkeit mit George Clooney war noch frappanter.
    »Wie lange ist das her?«, fragte Sera.
    »Zehn oder elf Jahre. Ich stand damals Modell für einen Unterwäschekatalog. Das war ein Gag unter Kumpels. Keiner traute mir das zu. Ich hatte die ganze Sache längst vergessen.«
    »Bis die Aufnahmen heute Morgen am Schwarzen Brett hingen.«
    »Was weiß ich, welcher Witzbold sie dort aufgehängt hat. Wenn ich dieses Arschloch erwische!« Blundermann hieb seine Faust in die flache Hand. »Der Chef war von den Bildern wenig erbaut.«
    »Was nicht zu überhören war«, feixte Gesing und nahm die Abzweigung auf den Berliner Ring. Häuserreihen und Laubenpieperkolonien säumten die Stadtautobahn.
    »Was hat Dr. Salm gesagt?«, wollte Sera wissen.
    »Dass ich froh sein kann, dass er die Bilder rechtzeitig entfernt hat.«
    Rechtzeitig? Sera entsann sich der Heiterkeit unter den Beamten im Präsidium. Sie schwieg.
    Die Stadt blieb hinter ihnen zurück, links und rechts der Straße erstreckte sich das endlose Feldermeer der

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