Kalte Haut
Couch war auf die Seite gestürzt, der Glastisch zerbrochen, die Scherben hatten den Stoff eines Lampenschirms zerfetzt. Der Teppich war voller roter Spritzer. Blut!
»Das ist kein gewöhnlicher Einbruch«, argwöhnte Sera.
»Scheiße noch mal, ja! Es gab eine Auseinandersetzung –und höchstwahrscheinlich auch wieder eine Entführung.« Blundermann nahm gereizt sein Handy vom Ohr und betrachtete das Display. »Und das vor gar nicht langer Zeit. Es sind zwei Stunden vergangen, seit Frau Herzberg mit ihrem Freund telefoniert hat. Da war es kurz nach sieben und alles in Ordnung. Als sie um neun hier eintraf, entdeckte sie die Bescherung.«
Er presste das Telefon wieder ans Ohr. »Himmel, warum meldet sich denn keiner?«
Das Durcheinander in dem Zimmer war nichts, was nicht innerhalb einer halben Stunde hätte beseitigt werden können. Dass der Freund von Frau Herzberg allerdings ebenso schnell wieder auftauchte, war zweifelhaft. Und ob er dann noch lebendig ist. Sera beäugte die unbeschädigte Wohnungstür.
»Ja, verdammt, endlich!«, bellte Blundermann in sein Telefon. »Wie bitte? Ja, natürlich haben wir versucht, auf der Nummer von Herrn Rething anzurufen. Und nein, wir haben ihn nicht erreicht. Was meinen Sie denn, warum ich sein Handy orten lassen möchte? Sie kümmern sich darum? Danke.«
Er tat so, als wollte er sein Mobiltelefon aus dem Fenster schleudern. Seine Nerven lagen blank. »Lackaffen!«
Auf dem Bürgersteig vor dem Haus tauchten die ersten Journalisten auf, deren Schatten über den feuchten Asphalt geisterten, getrieben vom hektischen Zucken der Blaulichter.
Die Unruhe übertrug sich auf Sera. Wo steckt Gesing? Er war mit dem Polizeizeichner in Dahlem geblieben. Hatte die Tochter von Bodkema inzwischen eine Beschreibung liefern können? Warum meldet er sich nicht? Das Phantombild konnte ein erster richtiger Hinweis auf den Killer sein. Dummerweise ist er uns einen Schritt voraus. Noch eine Entführung. Noch ein Mord?
Sera nahm ihr Handy, wählte Dr. Babicz’ Nummer, erreichte aber nur seinen Anrufbeantworter. »Herr Dr. Babicz, es hat eine weitere Entführung gegeben. Der Freund von Frau Herzberg. Ein Schriftsteller. Rufen Sie mich bitte zurück, sobald Sie die Nachricht abgehört haben.«
Durch die offene Wohnungstür hörte sie Dr. Salm bereits im Treppenhaus toben, bevor er die vierte Etage erreichte. »Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir: Nach Doppelmord: Serienkiller schlägt wieder zu! Oder noch besser: Serienkiller narrt Polizei!«
Sera schüttelte innerlich den Kopf: Die Schlagzeilen der Boulevardpresse waren nun wirklich ihr geringstes Problem.
Schwer atmend erreichte der Dezernatsleiter die Wohnungstür. »Und das ausgerechnet in Berlin! Eine derartige Verbrechensserie in der Hauptstadt schlägt bundesweit Wellen, können Sie sich das vorstellen, Muth? Herrje, wie soll ich das bloß dem Polizeipräsidenten erklären? Geschweige denn dem Herrn Senator, der uns ständig aufs Dach steigt? Dass wir immer noch nichts in der Hand haben … Oder haben wir inzwischen etwas?«
»Immerhin ist dies die erste Entführung, von der wir erfahren, noch ehe ein Video aufgetaucht ist«, erklärte Sera.
Der Chef runzelte die Stirn. »Das heißt, das Opfer könnte noch am Leben sein?«
Sera schwieg.
»Worauf warten Sie dann noch?«
»Auf die Spurensicherung!«
»Dann befragen Sie unterdessen die Nachbarn!«
»Eine Einsatzhundertschaft ist bereits unterwegs«, versicherte ihm jetzt Blundermann.
»Und?«
»Bisher nichts.«
»Ich kann nicht glauben, dass jemand aus einem Mehrfamilienhaus verschleppt wird, ohne dass es dafür Zeugen gibt!« Dr. Salm grunzte verstimmt. »Haben Sie gerade Dr. Babicz verständigt?«
»Ich habe ihm eine Nachricht hinterlassen.« Sera konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
Seit dem frühen Morgen war sie auf den Beinen, wurde von einem Ort zum nächsten gehetzt, ohne einen Moment der Ruhe. Er spielt mit uns. Sie erlaubte sich einen Gedanken an Gerry, aber auch der brachte keinen Trost. Kannst du mir bitte sagen, was das vorhin war?
»Wer ist das Entführungsopfer?«, fragte der Dezernatsleiter.
»Hagen Rething, der Freund von Frau Herzberg.«
»Der Freund von«, der Chef rieb sich das Ohr, als hätte er sich verhört, »von Frau Herzberg?«
»Ein Schriftsteller«, erklärte Blundermann. »Er hat mehrere Romane geschrieben, überwiegend Krimis. Haben allesamt schlechte Kritiken gekriegt. Richtig erfolgreich war nur sein Debüt, das vor …«
»Ja,
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