Kalte Haut
auch seist, Prinz, Brahmane oder Soldat. Robert wollte sich gerade umziehen, als es an der Tür läutete.
Nadine stand im Rahmen. In der Hand schwenkte sie eine Einkaufstüte. »Ich habe Licht bei dir gesehen und dachte mir, vielleicht magst du noch … Bist du verletzt?«
»Wieso?«
»Du hast da Blut!«
Er wischte über die roten, im Regen zerlaufenen Spritzer auf seiner Hose. »Das war … ach, nur eine kleine Unachtsamkeit.«
»Aber dir geht es gut?«
»Es ging mir eindeutig schon mal besser. Aber das liegt wohl eher daran, dass der Tag ziemlich anstrengend war.«
»Also darf ich dich nicht mehr zu einem Glas einladen?« Sie holte eine Flasche Weißwein aus der Tüte und präsentierte ihr liebreizendes Lächeln. Sie trug das Haar offen, hatte noch immer das gleiche Outfit wie am Morgen an, Jogginghose, Boxershirt, Flip-Flops, und sah – wie schon am Morgen – hinreißend aus.
Im Wohnzimmer näherte sich Salieris Tarare dem tragischen, komischen Höhepunkt des ersten Akts.
Max hatte recht wie immer. Was spielt es noch für eine Rolle? Robert schwang die Tür weiter auf und deutete eine Verbeugung an. »Ein kleiner Gute-Nacht-Trunk kann nicht schaden.«
97
Bodkemas Familie bewohnte die obere Etage der Villa, deren ausladender Balkon mit übertrieben schwungvollen Ornamenten wie ein Fremdkörper am Gebäude wirkte.
Elke Bodkema, die Frau des Journalisten, führte die beiden Beamten ins Wohnzimmer. Auf dem Kaminbord standen dicht gedrängt Familienfotos und Schnappschüsse. Auch darüber hingen etliche Bilder an der Wand. Sie zeigten Bodkema mit seiner Gattin, den Kindern und Enkelkindern, mit prominenten Schauspielern, Musikern, Sportlern und Politikern. Auf einem schüttelte er Innensenator Dr. Lothar Lahnstein die Hand.
»Frau Bodkema«, begann Sera. »Wie war das Verhältnis Ihres Mann zu Herrn Dr. Lahnstein?«
»Wie es … ist zwischen Journalisten und Politikern … zweckmäßig.« Ihre Lippen zitterten, ihre Hände bewegten sich unaufhörlich.
»Kannte Ihr Mann auch Dr. Lahnsteins Sohn Frank?«
»Das ist der Junge, den sie ebenfalls …?« Sie zuckte zusammen. »Ich weiß nicht, ob sie sich einmal begegnet sind. Er hat es zumindest nie erwähnt.«
Die Tür zum Nebenraum ging auf. Ein Mädchen tapste ins Wohnzimmer. Die Kleine war ein oder zwei Jahre alt. Eine Frau Mitte zwanzig eilte hinterher. »Entschuldige …«
»Lass sie ruhig!« Elke Bodkema hob das Kind auf ihren Schoß. Wahrscheinlich beruhigte es sie, sich an etwas klammern zu können. Den beiden Beamten erklärte sie: »Meine Enkelin.«
»Hat Ihr Mann in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches in seinem Umfeld bemerkt?«
Sie schüttelte den Kopf. Das Kleinkind spielte fröhlich mit einer Puppe, während seiner Großmutter Tränen über die Wangen rannen.
»Hat er von einer Bedrohung gesprochen? Zum Beispiel in der Redaktion?«
»Nein.« Sie wischte sich über die Augen. »Aber … über die Arbeit hat er sowieso selten geredet.«
Sera wandte sich der Tochter zu. »Sie hatten sich mit Ihrem Vater gestern Abend zum Essen verabredet?«
Die junge Frau antwortete mit brüchiger Stimme. »Ja, um neunzehn Uhr. Eine Stunde später haben wir uns verabschiedet. Mein Vater ist … nach Tegel gefahren, weil sein Flug um halb elf ging.«
»Und wo haben Sie sich mit ihm getroffen?«
»In der Dachkammer . Das ist in Friedrichshain.«
»Warum dort?«
»Weil ich direkt um die Ecke wohne.«
»War Ihr Vater anders als sonst?«
»Nein, eigentlich nicht. Aber … er erwähnte einen Mann, der ein paar Tische weiter saß. Ihm war, als habe er ihn schon mal gesehen. Dann scherzte er, dass er wohl unter Verfolgungswahn leide.«
»Haben Sie diesen Mann auch gesehen?«
»Ja, ich habe mich nach ihm umgedreht, als er im Begriff war zu gehen. Ich konnte nur einen kurzen Blick auf ihn werfen. Glauben Sie, es ist … es war …?«
Alles ist vom Mörder durchdacht. Wie wahrscheinlich war es, dass er, der alles perfekt plante, sich von einem Zeugen ertappen ließ? Vorausgesetzt, es gehört nicht zu seinem Plan . Mochte er noch so fehlerfreie Pläne schmieden, die Unwägbarkeiten des Lebens würden sie am Ende vereiteln. Es gibt keinen perfekten Mord. Früher oder später beging jeder Mörder einen Fehler.
In Sera keimte plötzlich Hoffnung auf. »Wissen Sie noch, an welchem Tisch der Mann saß?«
»Ja, es war ein Platz direkt am Fenster.«
Gesing griff zum Handy und verließ den Raum.
»Können Sie uns den Mann beschreiben?«, bat
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