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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Variante von Backgammon.
    Als die Gäste die beiden Neuankömmlinge bemerkten, kehrte Stille ein. Alle Augen richteten sich auf die durchnässten Polizisten. Sera entging nicht, wie sich Gesings Körperhaltung anspannte.
    »Guten Abend«, sagte er und zeigte seinen Dienstausweis. »Kriminalpolizei. Ich bin Kriminalobermeiser Gesing, und dies ist meine Kollegin, Kriminalhauptkommissarin Sera Muth.«
    Sera blickte in die Runde. »Wer von Ihnen ist Sehmus Gökcan?«
    »O benim.« Als hätte er nur darauf gewartet, dass sein Name fiel, tauchte ein Mann in einem winzigen Durchgang auf, der in den rückwärtigen Teil der Räume führte. Er war klein, sonnengebräunt, mit runzeligem Gesicht, hatte dunkle Augen und einen Walrossbart. »Ne yapabilirim sizin için?«
    »Sprechen Sie bitte Deutsch«, sagte Sera. »Sonst kann mein Kollege Sie nicht verstehen.«
    Der Mann lächelte entschuldigend, was noch mehr Falten zur Folge hatte. Die Hände in den Hosentaschen seines Anzugs vergraben wandte er sich demonstrativ an Gesing. »Ich bin Sehmus Gökcan. Womit kann ich Ihnen helfen?«
    Gesing überflog die konzentrierten Gesichter der Männer an den Tischen. »Es wäre besser, wir sprechen allein.«
    »Tun Sie sich nur keinen Zwang an.« Gökcan zog seine Hand zu einer gönnerhaften Geste aus der Tasche.
    Wie auf ein Kommando setzten die Gespräche wieder ein, und die Spiele wurden fortgeführt, dennoch blieb die Aufmerksamkeit der Männer unverhohlen weiter auf die Beamten gerichtet. Auf Sera. Eine Frau, eine türkische Frau in einer Teestube. Zwar kein Sakrileg, aber nahe dran.
    Der Zigarrenqualm kratzte in Seras Hals. »Es geht um Ihren Sohn, Amiel Gökcan.«
    »Der ist nicht hier.«
    »Wissen Sie, wo wir ihn finden können?«
    »Um diese Zeit wahrscheinlich zu Hause.«
    »Von dort kommen wir gerade.« In Seras Jackentasche vibrierte das iPhone. Sie ließ es unbeachtet. »Dort ist er nicht.«
    »Dann in der Backstube.«
    »Auch dort haben wir ihn nicht angetroffen.«
    »Dann kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
    Die Antwort kam zu plötzlich. Sera legte sich sorgsam ihre nächsten Worte zurecht. »Jemand hat heute Mittag versucht seine Frau Adile zu ermorden.«
    »Das tut mir leid.«
    Seinen Worten zum Trotz bemühte sich Gökcan nicht einmal, den Anschein von Überraschung oder gar Betroffenheit zu erwecken.
    »Der Vorfall scheint Sie nicht sonderlich zu berühren«, stellte Gesing fest.
    »Sie hat sich von meinem Sohn getrennt.« Der Vater sagte es, als sei damit alles erklärt, und Sera wusste, dass ihm nicht mehr zu entlocken war. Es machte sie zornig. Da wäre beinahe eine junge Frau gestorben, seine Schwiegertochter , und es kümmerte ihn einen Dreck.
    Als Sehmus Gökcan sie herausfordernd ansah, wich Sera dem Blick nicht aus, sondern nahm das waffenlose Duell an. Nach und nach verklangen die Gespräche, bis eine unangenehme Stille herrschte, in der ein fallendes Streichholz wie ein Donnerschlag geklungen hätte.
    »Gehen wir«, brach Gesing schließlich das Schweigen.
    Sera nickte und folgte ihm nach draußen.
    »Ben senin Mergim amcani taniyorum!«, rief Gökcan ihr hinterher.
    »Onunla ne âlâkasi var?« Ohne nachzudenken, hatte Sera auf Türkisch geantwortet.
    »Er würde sich für dich schämen!«
    Sie, Herr Gökcan, sollten sich schämen – für Ihren Sohn. Sera ließ den stickigen Dunst der Teestube hinter sich. Draußen brachen die Wolken auf und enthüllten Aberdutzende von Sternen am dunklen Himmel. Erleichtert atmete Sera die frische Luft ein.
    In den Pfützen am Randstein glitzerten die Leuchtreklamen der Geschäfte, die den Kottbusser Damm säumten. Türkische Reisebüros, Handyshops, eine Buchhandlung mit Harry Potter auf Türkisch und daneben der Titel Das Wesen des Islam , Dönerbuden, Schawarma-Imbisse, Obstläden. Der Frucht-und der Gemüsehandel waren in Neukölln fest in türkischer Hand.
    »Was hat er damit gemeint?« Gesing hatte Mühe, mit Sera Schritt zu halten. »Er würde sich für dich schämen?«
    »Vergiss es.« Sie schaute auf ihr Handy. Eine SMS von Gerry war eingetroffen. Meld dich einfach, wenn du magst. G. Sera plumpste auf den Beifahrersitz.
    »Gökcan hat gelogen«, knurrte Gesing.
    »Ja.«
    »Er hat sich nicht einmal danach erkundigt, warum wir seinen Sohn suchen.« Gesing hämmerte mehrmals mit der flachen Hand aufs Lenkrad. »Weil er schon wusste, was passiert ist. Und ganz sicher weiß er auch, wo sein Sohn sich versteckt hält. Wir müssen die Teestube unter Beobachtung stellen

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