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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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so viele Züge stilllegen müssen, weil vom Hersteller fehlerhafte Waggons geliefert worden waren.
    »Kommst du voran?« Karrenbacher linste verstohlen auf ihren Monitor.
    Tania legte das Fax beiseite. »Bestens. Solange man mich nicht stört.«
    »Ach«, Karrenbacher zuckte mit den Schultern, »Stan wird gerne dafür sorgen, dass du …«
    »Dass ich was?«, blaffte Tania.
    Das Grinsen ihres Kollegen erlosch. »Ach, nichts.«
    »Gut.« Tania widmete sich wieder ihrem Rechner, und Karrenbacher suchte das Weite. Sie wusste, was er hatte sagen wollen. Stan wird gerne dafür sorgen, dass du demnächst dein eigenes Büro hast. Aber sie hatte es nicht hören wollen. Es reichte, wenn sie es täglich an den vorwurfsvollen Mienen der Kollegen ablesen konnte.
    Sie nahm sich die Agenturmeldung noch einmal vor, und ihre Laune hob sich schlagartig. Die Presseerklärung war erstunken und erlogen. Seit ihrem Telefonat mit dem Informanten kannte Tania die wahren Gründe für das S-Bahn-Chaos, und morgen, mit dem Erscheinen ihres Artikels, würde auch ganz Berlin davon erfahren. Auf der Titelseite des Kurier!
    Am liebsten hätte Tania es in das Großraumbüro gebrüllt, damit es jeder hörte, vor allem aber Karrenbacher. Seht her: Genau deshalb kriege ich den Job!
    »Du siehst aus, als hättest du etwas auf dem Herzen.« Sackowitz schlurfte heran.
    Tania zerknüllte das Fax und warf es im hohen Bogen in den Papierkorb. »Wie lange bist du schon zurück?«
    »Seit einer halben Stunde oder so.«
    »Hab dich gar nicht kommen sehen.«
    »Ist mir aufgefallen. Da ist ein Anrufer.«
    »Was für ein Anrufer?«
    »Na, ein Gespräch für dich.«
    »Wie?« Tania sah zu ihrem Telefon, dessen Hörer sie schon vor einer ganzen Weile neben die Gabel gelegt hatte, um ungestört arbeiten zu können.
    »Nein, nicht an deinem Apparat.« Sackowitz deutete zu seinem chaotischen Schreibtisch hinüber. Auf der Tischplatte gab es einen einzigen freien Flecken, wo sein Computer gestanden hatte. »Weil die Zentrale bei dir nicht durchgekommen ist, hat sie das Gespräch zu mir durchgestellt.«
    »Wer ist es denn?«
    »Er hat seinen Namen nicht genannt.«
    »Hat er gesagt, worum es geht?«
    »Er meinte nur, es sei wichtig.« Sackowitz wackelte mit dem Kopf. »Aber ich glaube, es ist dein Mann.«
    Das nächste Problem. Tania rieb sich den Nacken. Wenn sie zu lange konzentriert und in falscher Haltung vor dem Computerbildschirm hockte, verspannten sich ihre Schultern. Dann kroch ein spitzer Schmerz hinauf in ihren Kopf und verhakte sich dort wie eine Klette für den Rest des Tages. Eine kleine Verschnaufpause täte dir gut, aber … Der Redaktionsschluss rückte näher. Außerdem gab es nur wenig, was sie mit ihrem Gatten zu besprechen hatte, und rein gar nichts, was sie mit ihm besprechen wollte.
    Trotzdem ging sie zu Sackowitz’ Platz hinüber. »Was ist?«
    »Warum gehst du nicht an deinen Apparat?« Ralf brachte das Kunststück fertig, gleichzeitig zu rülpsen und sie anzuschreien.
    »Ich habe dir gesagt, du sollst mich nicht mehr stören.«
    »Als dein Ehemann störe ich dich, wann und wo ich …«
    Tania knallte den Hörer auf die Gabel. Auf dem Weg zurück zu ihrem Schreibtisch mied sie Sackowitz’ Blick.
    »Brauchst du noch lange?«, fragte er.
    »Warum?«
    »Ich muss noch meinen Text schreiben.«
    »Dann musst du eben warten.«
    »Aber …«
    »Ich dachte, du wirst mir nicht zur Last fallen?«
    »Es geht um diesen türkischen Ehrenmord.«
    »Welcher Ehrenmord?«
    »Um die Sache in Kreuzberg, von der ich dir erzählt habe.« Sackowitz hielt ihr das Foto eines jungen Mannes unter die Nase. »Hier, hab ich gerade bekommen. Das ist der Mann, der heute seine Ehefrau niedergestochen hat, weil sie ihm abgehauen ist. Die Polizei schreibt ihn gerade zur Fahndung aus.«
    Ein kalter Schauder ließ Tania frösteln. Sie versuchte sich auf ihren Artikel zu konzentrieren, doch es fiel ihr schwer, wieder einen Einstieg zu finden. Nur mit Mühe konnte sie den Text beenden. Anschließend merzte sie noch zwei, drei Tippfehler aus, überflog den Artikel ein weiteres Mal und war verblüfft, wie flüssig er sich trotz ihrer Schwierigkeiten las. Dann mailte sie ihn endlich an Bodkema und die Layouter, die eine Etage tiefer arbeiteten.
    Anschließend rief sie ihre E-Mails ab. Der Posteingang verzeichnete ungewöhnlich viele. Eine dunkle Ahnung beschlich sie, aber als sie die Absender überprüfte, waren nur drei von ihrem Ehemann. Im Wortlaut waren sie sich ähnlich: Er

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