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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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gehörte unbedingt dazu. Ein Tag ohne Kuchen ist ein verlorener Tag , so Ritas Devise.
    Gesing hielt – allerdings nur, wenn er sicher sein konnte, dass sie außer Hörweite war – dagegen: Ein Tag ohne Kuchen ist Urlaub für den Hüftspeck.
    »Guten Morgen, Sera«, grüßte Rita. »Wie geht es dir? Ein Stück Kuchen?«
    »Danke, aber …«
    Rita schleifte sie bereits in das Nebenzimmer. Gesing und Blundermann feixten still in sich hinein, während ihre Kollegin zähneknirschend einen Teller mit weißem Brei entgegennahm. Innerlich seufzend sank sie auf einen der Stühle im Konferenzraum, der seinen Namen nicht verdiente. Es handelte sich um eine Platzangst auslösende, enge Kammer mit einem Tisch, vier Stühlen aus Eiche rustikal, zwei Hockern vom Trödelmarkt, Holzfurnier an den Wänden, einer Pinnwand aus Kork und einem uralten Videorekorder nebst ebenso betagtem Fernseher. Das mit Abstand Wertvollste in dem Zimmer war die Kaffeemaschine.
    Die Heizung funktionierte seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr. Obwohl sie auf der niedrigsten Stufe stand, bollerte sie, was das Zeug hielt. Im Winter war das erträglich gewesen, aber jetzt, bei den frühlingshaften Temperaturen draußen, glich die Kammer einer Sauna. Kriminalrat Dr. Dietmar Salm, leitender Dezernent des Kriminalkommissariats Berlin-Mitte, war demzufolge der Aufgießer.
    »Muth? Können wir beginnen?« Der Chef rauschte mit flatterndem Schlips herbei und knallte seine Tasche auf den Tisch. Das Geschirr, das Rita darauf verteilt hatte, klirrte. »Grundgütiger, was ist denn das?«
    »Apfel-Quark-Torte mit Zimt und Zucker«, erklärte Sera.
    »Also, für mich sieht das aus wie …«
    »Probieren Sie doch erst einmal«, meckerte Rita. »Danach können Sie immer noch …«
    »Ist ja schon gut. Geben Sie mal her.« Unter den entgeisterten Blicken aller Anwesenden griff der Dezernatsleiter nach einer Gabel. »Bin heute nämlich noch nicht zum Frühstück gekommen. Und wissen Sie warum?«
    Er nestelte in seiner Tasche, bis er die aktuelle Ausgabe vom Kurier in der Hand hielt. Beinahe-Ehrenmord: Türkin von Ehemann niedergestochen! »Sie ahnen sicherlich, wie der Herr Innensenator die Nachricht von diesem Vorfall aufgenommen hat. Noch letzte Nacht hat er mit dem Polizeipräsidenten telefoniert, der ja … Ah, Dr. Bodde, da sind Sie ja! Endlich!«
    »Bin ich zu spät?« Dr. Franziska Bodde blieb im Türrahmen stehen.
    Der Dezernatsleiter blickte prüfend auf seine Uhr. »Um genau zu sein: einundzwanzig Minuten.«
    Schulterzuckend setzte sich die Leiterin des Tatort- und Erkennungsdienstes vom LKA, das in Berlin für die Kriminalpolizei die Spurensicherung übernahm, auf den letzten freien Platz. Rita schob ihr sofort einen Kuchenteller unter die Nase.
    »Ich wollte den Kollegen gerade erklären, dass mich mein Schwager, der Polizeipräsident, heute in aller Herrgottsfrühe angerufen hat«, setzte Dr. Salm seine Ausführungen fort. »Der Innensenator, so sagte er mir, verlange alles über diesen Vorfall zu erfahren. Es kann ja nicht angehen, dass ein Ehrenmord …«
    »Beinahe-Ehrenmord«, korrigierte Rita.
    »Familientragödie.« Sera fächelte sich mit der Hand frische Luft zu.
    »Also bitte, Muth, ersparen Sie uns diese Wortklauberei.« Der Dezernatsleiter schaufelte sich einen Quarkhaufen auf seinen Teller. »Entscheidend ist doch vielmehr: Der Innensenator möchte, dass der Täter rasch gefunden wird. Wie stehen wir denn da, wenn wir für einen so brisanten Fall Ewigkeiten brauchen?«
    Wir? Seras gute Laune verflüchtigte sich. Oder der Polizeipräsident? Dr. Salms Schwager? Dessen direkter Vorgesetzter der Innensenator ist.
    »Als würden wir ein Verbrechen wie dieses hier«, der Chef pochte mit der Gabel auf die Tageszeitung und spritzte Quark auf das Papier, »womöglich dulden. Und als wären die politischen Forderungen des Herrn Innensenators nur hohle Phrasen.«
    So viel zum viel beschworenen Wir.
    »Nein, es muss ganz klar sein: Wer sich als Ausländer nicht an unsere Regeln hält, der ist hier fehl am Platz.«
    Der Dezernatsleiter war bekannt dafür, sich immer wieder gerne die Forderungen seiner politischen Fürsprecher zu eigen zu machen. Dass er sie aber gleich wörtlich zitierte, war eine neue Dimension.
    Sera griff nach dem Selters, das in der Tischmitte stand. Die Flasche fühlte sich zwischen ihren Fingern angenehm kühl an.
    »Also, Muth, wie ist der Stand der Dinge? Hat Frau … wie heißt sie noch gleich? Ist sie inzwischen befragt

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