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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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fragend den Kopf. »Aber da ist noch etwas anderes, was dich beschäftigt, oder?«
    Robert dachte an seinen abendlichen Spaziergang zurück, der ihn in die Französische Straße geführt hatte. Was ist mit Bo? Hast du dich bei ihr …? Fast hätte er bei ihr geklingelt. Aber nur fast.
    »Das wird schon wieder«, sagte Max.
    »Was?«
    »Das mit dem Jetlag.«
    Robert stöhnte.
    »Bei den meisten Leuten legt der sich nach zwei Wochen.« Max nahm seine Hände aus den Taschen.
    »Zwei Wochen?«
    »Freu dich! Drei Tage davon sind schon vorbei.«
    Robert schnitt eine angesäuerte Grimasse und deutete zum Hauseingang. Quer über die schwere Holztür hatte jemand eine riesige Fratze gesprüht. »Sollen wir?«
    »Tut mir leid, aber für mich ist es zu spät. Gleich beginnt meine Probe. Eigentlich hätte ich schon längst los gemusst.«
    »Schade.« Robert trat auf die Klingelschilder zu. Sein Finger näherte sich dem Namen Kornfeld .
    »Robert?«, sagte sein Bruder.
    Die Hand gefror in der Bewegung.
    »Bist du dir sicher? Willst du wirklich wieder in diese Wohnung?«
    Zum ersten Mal fiel Roberts Blick auf das schmale Schild an der Mauer neben der Tür. Unter den Graffiti war die Aufschrift fast unleserlich, trotzdem erinnerte er sich natürlich daran, was dort stand. Wirst du wieder arbeiten? Nicht so bald. Aber …
    »Ja«, sagte er und drückte den rauen, abgegriffenen Klingelknopf.

23
    Sera wartete geduldig, bis der Pförtner am Eingang des Vivantes-Klinikums endlich den diensthabenden Arzt erreicht hatte. Dieser ließ ausrichten, dass er vor dem Eingang zur Intensivstation auf sie warten würde. Obwohl ihr der Pförtner den Weg dorthin beschrieb , verlief sich Sera zwei Mal in den verzweigten Gängen des V-förmigen Gebäudes.
    Auf einer Bank vor der Schleuse zur Intensivstation traf sie auf Eva Fischer und deren Bruder Sebastian. Adiles Freunde sahen bleich und übernächtigt aus.
    »Haben Sie das Arschloch gefunden?«
    »Nein, noch nicht«, gab Sera zu.
    »Aber Sie werden ihn schnappen?«
    »Davon gehe ich aus.«
    Sebastian rieb sich die müden Augen. »Das klang gestern aber noch überzeugter.«
    Sera ignorierte den unterschwelligen Vorwurf. »Wie geht es Ihnen?«
    »Das spielt doch keine Rolle«, sagte der junge Mann.
    »Ich möchte es aber gerne wissen.«
    »Wie würde es Ihnen denn nach so etwas gehen?«
    »Beschissen!«
    »Dann wissen Sie ja jetzt, wie wir uns fühlen.«
    Die Schleusentür öffnete sich, und ein hagerer Arzt, der einen grünen Kittel, grünen Mundschutz und das Haar unter einer grünen Haube verborgen trug, trat in den Flur. Mit einer Hand nestelte er nervös an seinem Pager, während er mit der anderen die Tür einen Spalt offen hielt.
    »Sie sind die Polizistin?«
    »Sera Muth, Kriminalhauptkommissarin.« Sie zückte ihren Ausweis.
    »Dr. Rösner.« Er nickte den Geschwistern zu, eine Geste, die wohl Zuversicht vermitteln sollte, bevor er Sera in die Schleuse winkte. An der Wand waren Kleiderhaken angebracht, an denen Kittel und Mundschutze für Besucher aufgereiht hingen. Weiter vorne, neben der zweiten Tür, die in die Krankenstation führte, gab es ein kleines Waschbecken mit einem Desinfektionsmittelspender.
    Sera streifte sich die vorgeschriebene Schutzkleidung über und folgte Dr. Rösner einen Gang entlang, von dem alle paar Meter Krankenzimmer abzweigten. Ärzte, Pfleger und Besucher eilten hektisch umher. Es war nicht genau zu unterscheiden, wer zu welcher der Gruppen gehörte. Intensivstationen wurden nicht umsonst als Stroke Units bezeichnet. Sie waren geschlossene Abteilungen, eine sterile Welt für sich, der Gerichtsmedizin nicht unähnlich. Und für viele Verbrechensopfer war die Intensivstation nur ein Zwischenstopp auf dem Weg dorthin.
    »Ich weiß nicht, was Sie sich von dem Besuch erhoffen«, sagte der Arzt.
    »Ich möchte Frau Gökcan sehen.«
    »Sie wird nicht mit Ihnen reden können. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«
    »Doch.«
    Dr. Rösner war sichtlich irritiert, fragte aber nicht weiter nach. Vor dem Zimmer, das er ansteuerte, gähnte ein Polizeibeamter mit grünem Kittel, grüner Haube und grünen Füßlingen. Er sprang alarmiert auf, entspannte sich aber, als er Sera in der Maskerade erkannte, und hielt ihr die Tür zum Krankenzimmer auf.
    Adile wirkte klein, zerbrechlich und verloren zwischen den unzähligen medizinischen Geräten, an die sie angeschlossen war. Um sie herum surrte und fiepte es ununterbrochen, während die Maschinen Herz, Kreislauf und Lunge,

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