Kalte Haut
ihr machte die Hitze zu schaffen. »Ich möchte es mal so formulieren: Die Täter, so wir es denn mit mehreren zu tun haben, hinterließen nicht mehr Spuren als unvermeidlich war.«
»Entnehme ich Ihren Worten die Vermutung, dass es sich doch um nur einen Täter handelt?«
»Der Reihe nach«, bremste die Kriminaltechnikerin und leerte ihr Glas mit einem weiteren Zug. »Wir haben in der Lagerhalle auch frische Fingerabdrücke sicherstellen können. Sie lassen sich einwandfrei jenen beiden Personen zuordnen, mit denen wir zwei der drei frischen Schuhspuren in Verbindung bringen können. Eine der beiden Schuhspuren gehört der Reporterin, Frau Herzberg.«
»Und die andere Person ist ihr Fotograf, habe ich recht?« Grimmig hob der Dezernatsleiter die aktuelle Ausgabe vom Kurier in die Höhe. Die Titelseite zeigte ein groß aufgemachtes, glücklicherweise verpixeltes Bild des toten Lahnstein. »Dem Hinweis unter dem Foto zufolge ein gewisser Jens Kramer.«
»Von ihm dürfte auch das Erbrochene stammen, das wir in einer Ecke des Lagerhauses gefunden haben«, erklärte die LKA-Beamtin.
»Aber was ist mit der dritten Schuhspur? Ist es die des Täters?«
»Die Abdrücke wurden zweifelsfrei von jener Person hinterlassen, die die Leiche in das Lagerhaus geschleppt hat. Ich habe die Abdrücke mit der Profilmustersammlung für Schuhprofile beim BKA abgleichen lassen. Sie wurden der Marke Adidas Superstar in der Größe dreiundvierzig, vierundvierzig zugeordnet. Auf Anweisung des Polizeipräsidenten, der ja die Bedeutsamkeit dieses Falls betont hat, haben wir ein anthropologisches Gutachten an der Uni Potsdam in Auftrag gegeben. Da die Methodik leider einige Zeit erfordert, hat mir eine Kollegin freundlicherweise vorab Daten einiger Vergleichsfälle zur Verfügung gestellt. Diese legen den Schluss nahe, dass die fragliche Person zwischen einem Meter achtzig und einem Meter neunzig groß und etwa achtzig Kilogramm schwer sein dürfte. Und falls Sie gleich fragen wollen: Ja, die Person war vermutlich allein vor Ort.«
»Aber es könnte doch noch eine weitere Person im Auto gewartet haben?«, gab Gesing zu bedenken. »Hinterm Steuer, für den Fall, dass die Täter schnell hätten verschwinden müssen.«
»Unwahrscheinlich«, erwiderte Dr. Bodde. »Der Pkw, der Spurbreite zufolge ein Mittelklassewagen, aber die Analysen zur genaueren Identifizierung laufen noch, ist rückwärts an das Lagerhaus herangefahren. Dies belegen sowohl das Abdruckprofil der Reifen – Michelin ZX 15 Zoll, Laufleistung etwa fünfundzwanzigtausend Kilometer – als auch die Rußpartikel, die wir im Sand unmittelbar vor dem Tor sicherstellen konnten. Und die Schuhspuren, die vom Wagen in die Halle und von dort wieder zurückführen, befinden sich auf der linken Pkw-Seite – der Fahrerseite.«
»Jawohl, dies deckt sich auch mit meinem Befund«, ließ sich Dr. Wittpfuhl vernehmen. »Ich habe während der Obduktion keinerlei Hinweise auf die Einwirkung mehrerer Täter entdeckt. Die Schläge, mit denen dem Opfer Hände und Füße zertrümmert wurden, die Einschnitte in seinen Brustkorb – sie weisen allesamt die typischen Merkmale eines Linkshänders auf. Selbst die Spritze, mit der ihm die lokalen Anästhetika verabreicht wurden, ist ohne Zweifel linkshändig gesetzt worden. Konkret wurden dem jungen Mann Lidocain und Mepivacain gespritzt, zwei Aminoamide, deren Wirkung zügig eintritt, aber ebenso schnell wieder nachlässt – nach etwa dreißig bis sechzig Minuten. In dieser Zeit wurden ihm Hände und Füße mit einem handelsüblichen Holzhammer zertrümmert.« Der Mediziner brachte aus seiner Tasche einen Stapel Fotos zum Vorschein. Einige Abzüge mit Detailaufnahmen der Verletzungen hielt er hoch. »Sehen Sie sich die wuchtigen Abdrücke an, wo die Bahn des Hammers auf die Gelenke traf.«
Er legte die Bilder beiseite und präsentierte einen Satz neuer Fotos. »Anschließend hat man seinen Torso gehäutet. Wie ich einigen von Ihnen gestern schon erklärt habe, deutet alles darauf hin, dass die Taten in rasender Wut erfolgten, plump, grobschlächtig und …«
»Ja, ja, das reicht jetzt«, unterbrach Dr. Salm angeekelt. »Auch ohne Ihre unappetitlichen Schilderungen dürfte uns klar sein, worum es geht.«
»Ach ja?«, schnappte der Gerichtsmediziner vergrätzt. »Dann habe ich möglicherweise eine Überraschung für Sie.«
»Was soll das heißen?«
»Wenn Sie mich nicht unhöflich unterbrochen hätten, wüssten Sie es bereits. Ich sagte: Es
Weitere Kostenlose Bücher