Kalte Haut
Mergim und ihrer Tante. Hinter den Fenstern brannten keine Lichter mehr. Er ist in etwas verstrickt! So viel war sicher. Aber in was? Was genau? Und wie gehst du damit um?
Klar, sie musste mit ihren Kollegen darüber reden. Und mit ihrem Chef, Dr. Salm. Doch – trotz allem war Mergim auch ihr Onkel. Der Bruder ihres Vaters. Ach, verdammt! Verdammt, verdammt!
Sera stöhnte. Dann drückte sie auf Senden .
Berliner Kurier, Samstag, 14. April
Täter lockten Kurier-Reporter zur Leiche
Sohn von Innensenator kaltblütig ermordet!
Von Harald Sackowitz
Berlin. Frank Lahnstein, Sohn des Berliner Innensenators Dr. Lothar Lahnstein, wurde gestern Opfer eines tödlichen Gewaltverbrechens. Kurier-Reporter entdeckten seine Leiche. Sehen Sie exklusive Fotos in der heutigen Ausgabe.
Zuerst schockierte gestern ein Foltervideo den Berliner Innensenator Dr. Lothar Lahnstein: Sein Sohn Frank (29) war entführt worden. Nur eine Stunde später bekam der Kurier einen Anruf und wurde zur Leiche des jungen Mannes geführt.
Der Politiker war bis zum Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme bereit. Unterdessen erklärte der leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Heindl: »Die Polizei geht von einer politisch motivierten Tat aus.«
Tatsächlich hatte es im Anschluss an die Forderungen des Innensenators nach einer restriktiven Politik gegen kriminelle junge Ausländer (der Kurier berichtete) nicht nur eine Vielzahl an Protesten der Ausländerverbände gegeben, sondern auch Morddrohungen gegen seine Familie.
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Robert fühlte sich gerädert, als hätte er die gesamte Nacht über kein Auge zugetan. Was hatte die Kommissarin in punkto Zeitumstellung gesagt? Drei Wochen Jetlag? Ihm wurde ganz anders bei dem Gedanken.
Weil bis zur Konferenz auf dem Polizeipräsidium noch Zeit war, er aber wenig Lust verspürte, sich bis dahin schlaflos im Bett herumzuwälzen, ging er unter die Dusche. Anschließend nahm er die Wäsche vom Kleiderständer, sie war noch nicht ganz trocken, aber es würde gehen. Mit dem guten Gefühl frischer Klamotten am Leib trat er auf die Straße.
Der Kiez erwachte gerade zum Leben. Herausgeputzte Jungunternehmer ließen Obdachlose links liegen, die Mülleimer nach Pfandflaschen durchwühlten, während gleich daneben die Hunde der Punks ihr Geschäft erledigten. Derweil entluden türkische oder japanische Großhändler Lkws vor Döner- und Sushibuden. Auf der Frankfurter Allee staute sich der Berufsverkehr.
Im Stadtpark an der Möllendorffstraße schlug Robert seinen alten Joggingpfad ein. Die Sonne schob sich langsam über die Baumwipfel. Da das Licht blendete, erkannte er seinen Bruder nicht auf Anhieb.
»Du joggst noch immer?«
»Klar«, keuchte Max und trabte auf der Stelle. »Und du?«
Früher war Robert jeden Morgen durch den Stadtpark gejoggt. Manchmal hatte Max ihn begleitet.
Auch in den USA hatte Robert fit zu bleiben versucht, aber die Steppen und Wüsten Arizonas und Nevadas hatten ihm mit ihrem heißen, drückenden Klima den Sport verleidet.
»Warum … bist du … so früh … schon … auf den Beinen?«, fragte Max.
»Konnte nicht schlafen.«
»Der Jetlag?«
»Nicht nur der.«
»Dachte ich’s … mir …« Max grinste breit. »War also … doch … ein netter … Abend.«
Robert verdrehte die Augen.
»Hey, immerhin habt ihr Sekt getrunken.«
»Woher weißt du das?«
Max verlangsamte seine Bewegungen, dehnte die Waden. »Ich habe dir doch gesagt, dass das Fenster gekippt war.«
»Und ich habe dir gesagt, dass sie nur vorbeigekommen ist, um sich zu entschuldigen.«
»Ach so.« Max beugte den Oberkörper vor und berührte mit den Fingerspitzen die Schnürsenkel seiner Schuhe. Plötzlich hielt er inne und schaute schelmisch schmunzelnd zu seinem Bruder auf. »Und wann triffst du Nadine das nächste Mal?«
»Weißt du was? Du bist wirklich … Moment mal, woher weißt du ihren Namen? Hast du etwa am Fenster gelauscht?«
»Du hast ihren Namen gestern Abend erwähnt, Robert. Jetzt red keinen Unfug.«
»Der Einzige, der Unfug redet, bist du!«
Max schüttelte missbilligend den Kopf. »Du hast dich doch mit ihr verabredet, oder nicht?«
Robert blieb die Antwort schuldig.
»Ha! Wusste ich’s doch! Du hast dich mit ihr verabredet.« Max klatschte triumphierend in die Hände. »Ich weiß gar nicht, warum du dich so anstellst.«
»Ich stelle mich gar nicht an. Es ist nur …«
»Was?«, unterbrach ihn Max scharf. »Plagt dich etwa dein schlechtes Gewissen? Wegen
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