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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Verdammt!
    Er hätte dafür sorgen müssen, dass das Gespräch mit seiner Exverlobten sachlich blieb. Er hätte verhindern müssen, dass sie die Nerven verlor. Natürlich war ihr schroffes Verhalten seiner plötzlichen Anwesenheit geschuldet gewesen. So ist sie schon immer gewesen. Stur, dickköpfig, unnachgiebig. So wie Max. Wahrscheinlich hatte er Bo deshalb geliebt.
    Das ist vorbei. Tania hatte geheiratet. Lebte in Trennung. Hatte einen neuen Job. Es hat sich einiges verändert. Robert konnte nicht verstehen, warum sie vom seriösen Tagesspiegel zu einem der übelsten Boulevardblätter der Stadt gewechselt war. Habe Dummheiten gemacht.
    Wie vom Donner gerührt blieb Robert auf dem Alexanderplatz stehen. Die nachfolgenden Passanten rempelten ihn an, aber er beachtete ihr Schimpfen nicht. Langsam setzte er sich wieder in Bewegung.
    Habe Dummheiten gemacht!
    Bei den Worten regte sich etwas in ihm, als enthielten sie eine verborgene Botschaft. Sie war zum Greifen nahe. Sie war – verschwunden, als sich eine kräftige Hand auf seine Schulter legte. »Das ist aber ein Zufall.«
    Robert wandte sich um. »Herr von Deese!«
    Sein einstiger Nachbar ragte vor ihm auf. »Du bist es doch, oder? Ich habe dich am Donnerstag nicht gleich erkannt. Das Wetter, der Regen, und meine Augen sind auch nicht mehr die besten.« Er tätschelte Robert tadelnd den Oberarm. »Hast mich ganz schön an der Nase herumgeführt. Aber später, da fiel es mir wieder ein. Du bist der kleine Robert, der Sohn von …«
    »Ja«, unterbrach Robert.
    Falls von Deese die Schärfe in seiner Stimme gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Die Pendler, die sich murrend an ihnen vorbeischoben, entgingen ihm allerdings nicht. Er setzte sich in Bewegung, schritt an Roberts Seite die Stufen zum U-Bahnhof hinab.
    »Ich hab mich immer gefragt, was aus dir geworden ist. Nach der Sache mit deinen Eltern …« Er hielt inne, betrachtete Robert. Als der nicht reagierte, fuhr von Deese fort: »Na ja, damals ging alles ziemlich schnell.«
    »Ja.«
    Eine U-Bahn rauschte in den Bahnhof. Als sie hielt, sagte von Deese: »Und jetzt interessierst du dich also für euer altes Haus?«
    »Nein.«
    »Na, wirklich nicht? Ich habe dich doch gestern Abend noch einmal auf dem Grundstück gesehen, als ich mit dem Hund draußen war.«
    »Das war ich nicht.«
    Der alte Mann sah ihn zweifelnd an. »Ich gebe zu, es war spät und dunkel, aber …«
    »Ich war nicht in Ruhleben.«
    »Hm, ich war mir sicher, ich hätte dich erkannt.«
    Das Türsignal dröhnte, und kurz darauf rauschte die U-Bahn in den Tunnel davon. »Vielleicht haben Sie meinen Bruder gesehen.«
    Der alte Mann rieb sich die Augen, nicht gewillt zu glauben, dass sie ihm einen Streich gespielt hatten. »Max?«
    »Oder einen Landstreicher. Kinder, die Unfug treiben. Irgendjemand, der dort herumgeschlichen ist.«
    »Das kann natürlich sein«, räumte von Deese stirnrunzelnd ein. »Und es wäre weiß Gott nicht das erste Mal. In jüngster Zeit zwar nicht mehr so häufig, aber früher …«
    Robert blickte ungeduldig auf die Uhr.
    »Ich möchte dich nicht länger aufhalten.« Von Deese schüttelte ihm die Hand. »Und wenn es dich doch noch mal nach Ruhleben verschlägt, also wegen dem Haus … Wie ich schon sagte, ich kenne den Makler.«
    »Ja, danke«, antwortete Robert ihm knapp. »Aber ich bin an dem Haus nicht interessiert.«
    Dann lenkte er seine Gedanken wieder zurück zu dem Gespräch mit Tania. Was auch immer da gerade für eine Idee aus seinem Unterbewusstsein aufgestiegen war – jetzt hatte sie sich verflüchtigt. Und für einen Abstecher zur Oper war es nun auch zu spät, es sei denn, er sagte das Abendessen ab. Er seufzte.

63
    Seras Mutter schaute aus dem Fenster, als Gesing am Bordstein hielt.
    »Danke fürs Bringen.« Sera drückte sich rasch aus dem Sitz, aber der Schmerz in ihrer Brust war wie eine Wand, gegen die sie prallte. Mit einem unterdrückten Stöhnen sank sie zurück.
    »Sag mal, geht es dir gut?«, sorgte sich ihr Kollege.
    »Noch ja.«
    Annecim watschelte bereits über den Bürgersteig heran, und Sera gab sich einen Ruck. Diesmal schaffte sie es aus dem Sitz und dem Auto. »Seray! Schön, dass du gekommen bist. Und wie schick du ausschaust.« Bewundernd strich sie über Seras roten Pullover. »Baba wird sich freuen.« Glücklich drückte sie ihre Tochter an sich. Sera verkniff sich einen Schmerzenslaut. »Komm herein!«
    Die hell erleuchteten Fenster in der Erdgeschosswohnung

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