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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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dass der Verbrecher nicht aus ihrem beruflichen Umfeld stammte, sondern … Natürlich, es lag auf der Hand.
    Er folgte Nadine auf die Straße. »Sei mir bitte nicht böse, aber …«
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Nein, nein, aber mir ist etwas Wichtiges eingefallen. Es hat mit dem Fall zu tun, an dem ich gerade arbeite.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich!« Ihr trauriges Gesicht ließ ihn seinen Entschluss bedauern. Wollte er den Abend, der so vielversprechend begonnen hatte, wirklich so abrupt beenden? Und alles nur, weil … Du deinen Job erledigen musst! Deshalb!
    »Wie wäre es mit einem Frühstück?«, schlug er vor. »Morgen um zehn? Bei mir?«
    »Aber nur, wenn du das wirklich …«
    »Und ob ich das will!«
    »Gut, dann bringe ich Brötchen mit.«
    »Abgemacht.« Er machte einen vorsichtigen Schritt auf sie zu. »Danke für den schönen Abend.«
    Noch ehe er sich versah, beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke, gleichfalls.«

68
    Tania blieb mitten auf der Brücke stehen. Es waren nur noch wenige Meter bis zum anderen Ufer des Kupfergrabens, aber dort befand sich nur die Friedrichswerdersche Kirche und dichtes grünes Buschwerk. Sie konnte keine Menschenseele entdecken. Weil die Straßenlaterne ausgefallen war, türmten sich die Schatten zu einem finsteren Tunnel auf. Oder einer tödlichen Falle.
    Aber Umkehren war unmöglich. Von hinten nahte ein Verfolger, daran gab es keinen Zweifel mehr, auch wenn von ihm in dieser Sekunde nichts mehr zu hören war. Nur das Rauschen des Verkehrs zwei, drei Straßenblöcke weiter klang in ihren Ohren. Viel zu weit.
    Lauf!
    Tania rannte los. Über die Brücke. Vorbei an der Kirche. Mehr als einmal stolperte sie. Die Pumps mochten zwar geeignet sein, den Chef davon zu überzeugen, dass man gesund und fit war, aber für einen Sprint waren sie eindeutig die falsche Wahl. Sie hechtete weiter. Das Blut pulsierte hinter ihren Schläfen, der Schmerz ging wie ein schwerer Hammer auf ihre Schädeldecke nieder. Dennoch nahm sie die Schritte wahr, die ihr folgten, immer schneller, immer näher. Geradewegs in den schwarzen Schlund hinein.
    Ein Stück weiter die Straße hinauf, jenseits der Dunkelheit, erspähte sie einen Wagen, der aus einer Hauseinfahrt herausfuhr.
    »Hilfe!«
    Tania winkte dem Fahrer, aber er war zu weit entfernt. Er sah sie nicht oder ignorierte sie.
    Tania spurtete, legte ihre letzten Kräfte in jeden Schritt. Um sie herum wurde es heller. Die ersten Häuser tauchten auf, das Licht der Französischen Straße, das rosa Leuchten einer Telekom -Reklame. Doch Tania hörte erst auf zu rennen, als sie den Gendarmenmarkt erreichte.
    Sie rang um Atem, keuchte und hustete. Unter den herausgeputzten Menschen, die zur Samstagabendvorstellung ins Konzerthaus schlenderten, fühlte sie sich sicher. Unterdessen hielt sie Ausschau nach ihrem Verfolger . Einem Mörder! Aber in dem Gewimmel der Konzertgäste fiel ihr niemand auf, der ihren Verdacht erregte. Woran erkennt man einen Mörder?
    Was hatte Robert ihr damals erklärt, als sie noch zusammenlebten? Nun, viel hatte er nicht erzählt, das war eins ihrer Probleme gewesen. Nur ab und zu hatte er ein paar Worte über seine Arbeit verloren, eher zufällig oder unbedacht. Dass man nämlich nur selten einen Mörder auf Anhieb erkennt.
    Ihr Körper verspannte sich. Schmerz kroch über den Nacken hinauf in ihren Kopf und mit ihm die Erkenntnis: Möglicherweise ist jemand wütend auf dich, weil du Berichte über ihn verfasst hast. Aber sie hatte keinen Artikel geschrieben über jemanden, der deshalb sauer auf sie sein könnte. Und auch über den Innensenator und seine Kampagne gegen Ausländer hatte sie kein Wort verloren. Aber sie hatte sich von einem Mann getrennt, der partout nicht begreifen wollte, dass endgültig Schluss zwischen ihnen war. Ich werde nicht zulassen, dass du … War es möglich, dass Ralf …? Nein, das ergibt doch keinen Sinn!
    Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Erst jetzt bemerkte sie die Strähne, die sich wieder gelöst hatte und ihr ins Gesicht hing. Sie klemmte sie hinters Ohr. Allmählich beruhigte sich ihr Herzschlag. In der sicheren Umgebung der anderen Menschen, mitten im gleißenden Scheinwerferlicht, das von dem altehrwürdigen Konzerthaus über den Platz strahlte, kam ihr die Panik von gerade eben nur noch albern vor. Sie hatte sich von Roberts Worten verrückt machen lassen.
    Die Gespräche der Leute drangen an ihr Ohr. Bekannte Gesichter, Sportler,

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