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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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Musiker, Politiker, die nur ein einziges Thema kannten. Der arme Senator. Wie es ihm wohl geht? Er hat es ja herausgefordert. Aber so etwas hat niemand verdient. Habt ihr das Foto im Kurier gesehen?
    Einige erkannten Tania und grüßten förmlich. Mit einem argwöhnischen Blick auf ihr verschwitztes Äußeres fragten manche, ob sie denn auch zur Aufführung wolle. Tania ertappte sich dabei, wie sie die Promis in vornehmer Abendgarderobe musterte. Über wen hatte sie kritisch geschrieben? Wer hatte einen Grund, sie … Hör auf!, ermahnte sie sich. Werde jetzt bloß nicht paranoid!
    Nach einer Weile lichtete sich der Trubel auf dem Gendarmenmarkt. Die Vorstellung im Konzerthaus begann. Auf der anderen Straßenseite schlenderte eine Gruppe ausgelassener Japaner. Tania heftete sich an ihre Fersen, mit etwas Distanz, um nicht aufdringlich zu erscheinen, aber auch nicht zu weit entfernt, als dass man sie im Notfall nicht hören würde.
    An der Friedrichstraße verschwanden die Touristen in der U-Bahn-Station, aber das machte nichts – hier herrschte genug Betrieb. Erst als sie das hintere Ende der Französischen Straße erreichte, lief sie wieder schneller. Hierher verirrten sich nur wenige Passanten, und an den Altbauten haftete die Nacht.
    Mach dich nicht verrückt, warnte sie sich erneut. Auf den letzten Metern bis zum Hauseingang kramte sie in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Unter das Rasseln mischten sich Schritte, hinter ihr, ganz nah. Neben ihr tauchte eine Gestalt auf.
    Tania schrie.

69
    Heißer Schmerz durchfuhr Seras Körper. Sie kämpfte dagegen an, während sie Mergims befremdeten Blick auf sich spürte. Sie konnte das Rattern förmlich hören, mit dem seine Gedanken wie Zahnräder ineinandergriffen. Gestern Abend. Unterschlupf. Gerüst. Verletzung. Überleg mal! Er wandte sich ab.
    Baba sah ihm verwundert hinterher. »Mergim?«
    »Frag Seray!«, zischte der Onkel.
    »Seray?«
    Wortlos drückte Sera ihrem Vater das Baby in den Arm. Von der Last befreit stolperte sie in die Küche, wo sie keuchend auf einem Stuhl darauf wartete, dass der Schmerz und die Wut nachließen. Irgendwann hörte sie eine Stimme hinter sich.
    »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du … Also, ich meine, dass du hier …« Ilhami fuchtelte verzweifelt mit den Armen.
    »Was denkst du denn? Natürlich bin ich hier. Es ist Babas Geburtstag.«
    »Ja, aber …« Ilhamis beinahe rührende Hilflosigkeit besänftigte sie. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Einladung deiner Eltern nur dazu diente, dass wir … also ich dich … und du mich … dann wäre ich nicht gekommen.«
    Als wenn das den Abend leichter gemacht hätte. Sera zwang sich zu einem Lächeln. »Dann hättest du das beste Baklava der Welt versäumt.«
    »Mag sein, aber ich hätte mir – und dir – diese Peinlichkeit erspart.«
    »Stimmt, das wäre ein guter Grund gewesen.« Das Hämmern des Schmerzes wurde schwächer. Sie beugte sich zu dem Tablett, schaufelte etwas Teiggebäck auf einen Teller und reichte ihn Ilhami. »Aber wo du schon mal da bist, kannst du ja auch etwas essen.«
    Er strich sich mit der Hand über den dicken Bauch. »Sehe ich so aus, als hätte ich es nötig?«
    »Du siehst aus wie … Na ja, wie ein erfolgreicher Ingenieur eben.«
    Er lachte. »Und? Bist du beeindruckt?«
    »Sollte ich das sein?«
    »Wenn es nach deinem Vater ginge …«
    Geht es aber nicht! Sera stocherte lustlos im Baklava herum. Im Wohnzimmer stimmten die Frauen ein Lied an. Sürer mi böyle camdan cama. Soluyor güller zamanı kolla.
    »Und wer fragt nach meinen Wünschen?«
    »Ehemann und Kinder gehören nicht dazu?«, wollte Ilhami wissen.
    »Doch, schon, aber … nicht jetzt – und nicht mit einem Mann, den mein Vater für mich ausgesucht hat.«
    »Hast du denn schon den richtigen gefunden?«
    Sera erlaubte sich einen Gedanken an Gerry. Diese ganze Geheimniskrämerei … die geht mir ganz schön auf die Nerven.
    »Deute ich dein Schweigen richtig?« Ilhami schmunzelte. »Du hast ihn gefunden, aber du bist dir nicht sicher, ob dein Vater ihn akzeptieren würde.«
    »Ich bin mir sogar sehr sicher«, obwohl der Gesang in der Stube lauter wurde, flüsterte Sera, »dass er ihm nicht gefallen würde.«
    »Tja«, machte Ilhami. »Irgendwie entscheidet dein Vater am Ende doch über deine Zukunft.«
    Sera schüttelte den Kopf, dann nickte sie. Aus dem Wohnzimmer erklang ein weiteres Lied. Asmam çardaktan, syu bardaktan. Bir yol öpüverde gocman gız. Iliman yanaktan

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