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Kalte Haut

Kalte Haut

Titel: Kalte Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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trat ans Fenster, öffnete es und zündete sich die Zigarette an.
    Hagen sah schweigend zu, wie sie inhalierte und einen Moment wartete, bevor sie den Qualm in einer dichten Wolke ausstieß. »Ich dachte, du hättest aufgehört?«
    »Hatte ich auch. Und jetzt habe ich wieder angefangen.«
    Sie wappnete sich gegen eine weitere kritische Bemerkung ihres Freundes, doch stattdessen stand er auf, kam zu ihr herüber, fischte die Zigarette zwischen ihren Fingern hervor und nahm selbst einen Zug. Sie rauchten abwechselnd, bis nur noch ein Stummel übrig war. Hagen schnippte ihn im hohen Bogen aus dem Fenster. Funken wirbelten wie ein kleines Feuerwerk am Nachthimmel.
    Tania verriegelte das Fenster und setzte sich zurück aufs Sofa, das zugleich Schlafcouch war und den Großteil des Zimmers einnahm.
    »Ich habe Angst«, platzte es aus ihr heraus.
    »Das brauchst du nicht. Ich bin bei dir.« Hagen setzte sich neben sie. »Und Robert kümmert sich um den Rest.«
    »Ja«, sagte sie, schüttelte aber den Kopf. Da war noch etwas anderes, was sie beunruhigte. Es fiel ihr schwer, diese Sorgen in Worte zu fassen. Sie waren wie ein Nebel, der sie umgab, nicht greifbar, aber bedrohlich.
    »War es das, was du mir gestern erzählen wolltest?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Dass du Robert getroffen hast?«
    »Mhm.«
    »Du hast ihm nicht von uns …?«
    »Nein, ich bin nicht dazu gekommen«, warf Hagen ein. »Als ich davon angefangen habe, wurde er zu einem Einsatz gerufen. Wahrscheinlich der Mord an Lahnstein.« Hagen rutschte zu ihr, begann ihren Nacken zu massieren. »Hast du es ihm erzählt?«
    »Nein.« Tania gab sich dem sanften Kneten seiner Hände hin. Sie schloss die Lider, aber sofort tauchten die blutigen Bilder wieder in ihren Gedanken auf, als hätten sie an der Grenze ihrer Wahrnehmung nur auf die Chance gewartet. Schnell öffnete sie die Augen. »Was meinst du, wie er reagieren wird?«
    »Ich weiß es nicht. Aber er muss sich damit abfinden. Es ist nun mal so, wie es ist …«
    »Er ist dein bester Freund«, gab Tania zu bedenken.
    »Ich kann es nicht ändern.«
    »Würdest du denn etwas ändern wollen?«
    »Es hat sich bereits vieles verändert.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    Hagen beugte sich über sie und küsste sie. »Wirklich nicht?«

72
    »Was um alles in der Welt machst du da?«, beschwerte sich Sera.
    »Das siehst du doch!« Mit der einen Hand lenkte Gesing den Passat über die Potsdamer Straße, mit der anderen drehte er am Radio herum. »Ich stelle den Sender ein.«
    »Das versuchst du, seit wir von meinen Eltern aufgebrochen sind.«
    »Weil ich dachte, dass dich ein bisschen Musik ablenkt.«
    »Ich brauche keine Ablenkung.«
    Aus den Lautsprechern heulte Michael Jackson. Every time I wanna say it, it is just too much for me. Gesing musterte sie skeptisch.
    »Mir kommt es eher so vor, als bräuchtest du etwas Zerstreuung«, sagte sie.
    »Ich? Warum?«
    »Weil dir die Sache bei meinen Eltern peinlich war.«
    »So ein Blödsinn. Ist mir doch egal, wen deine Eltern mit dir verkuppeln möchten. Andererseits«, er kicherte, »für so ein leckeres Essen stünde sogar ich als Ehemann zur Verfügung.«
    »Danke, Vorschlag zur Kenntnis genommen – und abgelehnt.«
    »Scherz beiseite. Ich finde, wenn deine Eltern schon so etwas arrangieren, sollten sie es in einem diskreteren Rahmen machen.«
    »Sie sollen gar nichts arrangieren!« Grollend betrachtete Sera die Kuppel des Sony-Centers, die wie ein blauer Teller am Abendhimmel strahlte.
    Irgendwie … entscheidet dein Vater am Ende doch über deine Zukunft. Ja, das war ein Dilemma. Aber es ging um mehr. Es ist das eine, dass du keinen Sinn für Familie zeigst! Wenn Baba bloß wüsste!
    Sera dachte an Adile Gökcan, die im Koma auf der Intensivstation lag – und sie verspürte ein schlechtes Gewissen. Das ist absurd! Sera trug keine Schuld am Zustand der jungen Türkin. Aber vielleicht daran, dass deren Ehemann sich noch immer auf freiem Fuß befand. Wie lange willst du deine Vermutungen noch für dich behalten?
    Babicz wartete an der Ecke Paulsborner, Friedrichsruher Straße. Schnell stieg er ein und quetschte sich auf den Rücksitz. »Guten Abend, was haben Sie über Ralf Herzberg herausgefunden?«
    »Wie Sie gesagt haben: Er ist Arzt.«
    »Zahnarzt«, korrigierte Gesing.
    Sera öffnete den Browser ihres iPhones. Eine Website ploppte auf. Unter einer fetten Überschrift war das Bild eines schlaksigen, bleichen Mannes zu erkennen. Sera vergrößerte die

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