Kalte Herzen
waren lediglich zwei Anrufe aufgezeichnet, beide von Vivian. Die von ihr hinterlassene Nummer hatte eine auswärtige Vorwahl. Sie war also noch immer in Burlington. Jetzt war es zu spät, sie zurückzurufen. Abby wollte es am nächsten Morgen versuchen.
Oben zog sie ihre nassen Sachen aus, steckte sie in die Waschmaschine und stellte sich unter die Dusche. Ihr fiel auf, daß die Kacheln trocken waren; Mark hatte heute abend nicht geduscht. War er überhaupt zu Hause gewesen? Während das heiße Wasser auf ihre Schultern trommelte, dachte sie mit geschlossenen Augen nach. Sie hatte Angst vor dem, was sie Mark sagen mußte. Um endlich zu reden, war sie heute abend in dieses Haus zurückgekehrt. Die Zeit war gekommen, ihn mit den Vorwürfen zu konfrontieren und Antworten zu verlangen.
Die Unsicherheit war unerträglich geworden.
Nachdem sie geduscht hatte, setzte sie sich auf das Bett und ließ Mark anpiepen. Sie war überrascht, als das Telefon fast unmittelbar darauf klingelte.
»Abby?« Es war nicht Mark, sondern Katzka. »Ich wollte nur hören, ob es Ihnen gutgeht. Ich habe vor einer Weile schon einmal angerufen, aber niemand hat abgenommen.«
»Ich war unter der Dusche. Mir geht es gut, Katzka. Ich warte nur darauf, daß Mark nach Hause kommt.«
Es entstand eine Pause. »Sie sind allein?«
Sein besorgter Unterton ließ sie lächeln. Wenn man an seiner Rüstung kratzte, kam darunter doch ein sensibler Mann zum Vorschein.
»Ich habe alle Fenster und Türen verriegelt«, erklärte sie.
»Genau wie Sie es mir aufgetragen haben.« Im Hintergrund hörte man Stimmengewirr und Krächzen aus einem Funksprechgerät. Sie stellte sich vor, wie er an dem Dock stand, der Widerschein des Blaulichts in seinem Gesicht. »Was passiert denn bei Ihnen?« fragte sie.
»Wir warten auf die Taucher. Die Gerätschaften sind schon einsatzbereit.«
»Glauben Sie wirklich, daß der Fahrer noch in dem Van ist?«
»Ich fürchte ja.«
In dem nachfolgenden Seufzer lag so viel tiefe Erschöpfung, daß sie besorgt murmelte: »Sie sollten nach Hause gehen, Katzka. Sie brauchen eine heiße Dusche und eine Tasse Hühnersuppe. Das ist mein Rezept für Sie.«
Er lachte, und ihr wurde bewußt, daß sie ihn noch nie zuvor hatte lachen hören. »Wenn Sie jetzt noch eine Apotheke finden, die es einlöst!« Jemand sprach mit ihm, offenbar ein anderer Polizist, der nach irgendwelchen Schußkanälen fragte. Katzka antwortete ihm und sprach dann wieder in den Hörer: »Ich muß Schluß machen. Sind Sie sicher, daß alles in Ordnung ist?
Wollen Sie nicht lieber in einem Hotel übernachten?«
»Mir wird schon nichts passieren.«
»Also gut.« Wieder hörte sie Katzka seufzen. »Aber ich möchte, daß Sie morgen früh einen Schlosser rufen und Sicherheitsschlösser installieren lassen. Vor allem, wenn Sie vorhaben, die Abende allein zu Hause zu verbringen.«
»Das werde ich machen.«
Es entstand ein kurzes Schweigen. Er hatte dringende Angelegenheiten, um die er sich kümmern mußte, trotzdem schien er nur widerwillig aufzulegen. Schließlich sagte er: »Ich melde mich morgen früh noch einmal.«
»Danke, Katzka.« Sie legte auf.
Wieder ließ sie Mark anpiepen. Dann legte sie sich auf das Bett und wartete auf seinen Rückruf. Doch er kam nicht.
Während die Stunden verstrichen, versuchte sie, ihre wachsenden Ängste in den Griff zu bekommen, indem sie alle möglichen Gründe zusammentrug, warum er sich nicht meldete.
Er konnte in einem der Bereitschaftsräume eingeschlafen sein.
Sein Pieper konnte defekt sein. Vielleicht operierte er auch und war im OP unabkömmlich.
Oder er war tot. Wie Aaron Levi. Wie Kunstler und Hennessy.
Sie piepte ihn noch einmal an. Und noch einmal. Um drei Uhr früh klingelte endlich das Telefon. Sie war sofort hellwach und nahm den Hörer ab.
»Abby, ich bin’s.« Marks Stimme knackte durch den Draht, als ob er von weit weg anrufen würde.
»Ich lasse dich schon seit Stunden anpiepen«, sagte sie, »Wo bist du?«
»Ich bin jetzt im Wagen auf dem Weg ins Krankenhaus.« Er zögerte. »Abby, wir müssen miteinander reden. Die Dinge haben sich … verändert.«
»Zwischen uns beiden, meinst du?« fragte sie leise.
»Nein. Nein, es hat nichts mit dir zu tun. Das hatte es nie. Es hat etwas mit mir zu tun. Du bist bloß in die Sache reingezogen worden, Abby. Ich habe versucht, sie davon abzuhalten, aber diesmal sind sie zu weit gegangen.«
»
Wer?
«
»Das Team.«
Sie hatte Angst vor der nächsten Frage, aber
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