Kalte Herzen
Schmerzexplosionen in ihrem Kopf.
Sie versuchte zu schreien, brachte jedoch keinen Laut heraus.
Sie versuchte, sich von dem blendenden Licht abzuwenden, aber ihr Hals schien in einem Würgegriff gefangen. Wenn sie nur diesem Licht entfliehen und sich wieder in der Dunkelheit vergraben könnte, würden die Schmerzen weggehen, glaubte sie. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen die Lähmung an, die ihre Gliedmaßen gepackt zu haben schien.
»Abby! Halten Sie still, Abby!« befahl eine Stimme. »Ich muß in Ihre Augen sehen.«
Sie wand sich in die andere Richtung und spürte die Fesseln an Handgelenken und Knöcheln. Und sie begriff, daß es keine Lähmung war, die sie daran hinderte, sich zu bewegen. Sie war auf die Liege gefesselt, Arme und Beine waren fixiert.
»Abby, hier ist Dr. Wettig. Sehen Sie mich an. Gucken Sie ins Licht. Kommen Sie schon, machen Sie die Augen auf.
Aufmachen!«
Sie öffnete die Augen und zwang sich, sie aufzuhalten, obwohl der Strahl seiner Stablampe sich anfühlte wie eine Klinge, die sich direkt in ihren Schädel bohrte.
»Folgen Sie dem Licht. Kommen Sie! Sehr gut, Abby.
Pupillen mittelweit, Lichtreaktion normal.« Die Untersuchungslampe wurde gnädigerweise ausgeschaltet. »Ich will trotzdem eine Computertomographie.«
Abby konnte jetzt Umrisse erkennen und den Schatten von Dr. Wettigs Kopf vor der diffusen Helligkeit der Deckenlampen.
Am Rande ihres Blickfelds bewegten sich weitere Köpfe, dahinter bauschte sich wie eine entfernte Wolke ein Vorhang.
Schmerz durchzuckte ihren Arm, und sie fuhr zusammen.
»Ganz ruhig, Abby.« Es war die Stimme einer Frau, leise und beruhigend. »Ich muß Ihnen Blut abnehmen. Halten Sie ganz still. Ich muß eine Reihe von Proben nehmen.«
»Dr. Wettig, die Radiologie wäre jetzt soweit«, meldete eine dritte Stimme.
»Gleich«, erwiderte Wettig. »Ich will eine größere Kanüle für ihre Infusion. Nehmt eine sechzehner. Los, Leute.«
Abby spürte einen weiteren Stich, diesmal in ihrem rechten Arm. Der Schmerz riß sie aus ihrer Benommenheit. Mit überraschender Klarheit wußte sie plötzlich genau, wo sie war.
Sie wußte nicht, wie sie hierhergekommen war, aber sie wußte, daß dies die Notaufnahme des Bayside war und daß irgend etwas Schreckliches passiert sein mußte.
»Mark«, sagte sie und versuchte, sich aufzurichten. »Wo ist Mark?«
»Nicht bewegen! Sonst reißen Sie den Katheter raus!«
Eine Hand schloß sich um ihren Ellenbogen und drückte ihren Arm wieder auf die Liege. Der Griff war zu fest, um sanft zu sein. Alle taten sie ihr weh, stachen sie mit Nadeln und hielten sie fest wie ein gefangenes Tier.
»Mark!« rief sie.
»Abby, hören Sie mir zu.« Es war wieder Wettig, seine Stimme klang tief und ungeduldig. »Wir versuchen, Mark zu erreichen. Ich bin sicher, er wird bald hier sein. Aber jetzt müssen Sie mit uns zusammenarbeiten, oder wir können Ihnen nicht helfen. Haben Sie verstanden? Haben Sie mich verstanden, Abby?«
Sie starrte in sein Gesicht und wurde ganz ruhig. Als Assistenzärztin hatte sie sich oft von seinen flachen blauen Augen einschüchtern lassen. Als sie jetzt angegurtet und hilflos unter diesem Blick lag, fühlte sie sich mehr als eingeschüchtert.
Sie war zutiefst verängstigt. Sie sah sich in dem Raum um, um ein freundliches Gesicht zu entdecken, doch alle waren zu beschäftigt damit, sich um Infusionen, Blutproben und Lebenszeichen zu kümmern.
Sie hörte, wie der Vorhang aufgezogen wurde, und spürte, daß die Roiliege sich in Bewegung setzte. Abby sah die Decke als eine Folge von Lichtblitzen an sich vorüberziehen und wußte, daß man sie tiefer in das Krankenhaus schob, ins Herz des Feindes. Sie versuchte nicht einmal, sich zu wehren; sie war zu fest auf die Liege geschnallt. Denk nach, ermahnte sie sich. Du mußt nachdenken.
Sie bogen um eine Ecke in die Röntgenabteilung. Jetzt tauchte ein neues Gesicht über ihrer Liege auf. Der Computertomographie-Techniker. Freund oder Feind? Sie wußte es nicht mehr zu unterscheiden. Sie legten sie auf den Tisch und zogen die Gurte über Brust und Hüfte fest.
»Schön stillhalten«, befahl der Laborant, »sonst müssen wir das Ganze noch mal machen.«
Als der Scanner über ihren Kopf glitt, wurde sie für einen Moment von klaustrophobischer Beklemmung übermannt. Sie erinnerte sich daran, wie ein Patient die Prozedur einmal beschrieben hatte: »Als ob man mit dem Kopf zuerst in einen Bleistiftanspitzer geschoben wird.« Abby schloß die Augen.
Um ihren
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