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Kalte Herzen

Kalte Herzen

Titel: Kalte Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Jetzt stand sie um Bett elf der Intensivchirurgie, Abbys Neuaufnahme. Es war an ihr, den Fall vorzutragen. Obwohl sie ein Klemmbrett in der Hand hielt, stützte sie sich nicht auf ihre Notizen. Sie präsentierte den Fall aus dem Gedächtnis, den Blick fest auf das Gesicht des Generals gerichtet. Er lächelte nicht.
    »Die Patientin ist eine vierunddreißigjährige Frau weißer Hautfarbe. Ein Rettungsteam brachte sie gegen ein Uhr heute morgen nach einer Frontalkollision auf der Route 90. Sie wurde vor Ort intubiert und stabilisiert und dann mit dem Rettungshubschrauber hierhertransportiert. Bereits bei ihrer Ankunft in der Notaufnahme zeigten sich verschiedenste Verletzungen. Sie hatte offene und imprimierte Schädelfrakturen, einen Bruch des linken Schlüsselbeins und des linken Oberarmknochens sowie schwere Riß-Quetsch-Wunden der Gesichtsweichteile. Meine Erstuntersuchung ergab, daß die Frau von mittlerer Statur und in gutem Ernährungszustand ist. Sie zeigte keinerlei Reaktionen auf alle Stimuli mit Ausnahme einiger zweifelhafter Strecksynergismen –«
    »Zweifelhaft?« fragte Dr. Wettig nach, »was soll das heißen?
    Zeigte sie Strecksynergismen oder nicht?«
    Abby spürte ihr Herz pochen. Mist, er hatte es schon auf sie abgesehen. Sie schluckte und erläuterte: »Manchmal zeigt sich nach starken Schmerzreizen eine Streckung der Extremitäten und manchmal nicht.«
    »Wie würden Sie das unter Verwendung der Glasgow-Komaskala interpretieren?«
    »Nun ja, da eine Nichtreaktion mit eins bewertet wird und eine Beantwortung mit Strecksynergismen mit zwei, würde ich vorschlagen, die Patientin mit – mit eineinhalb einzustufen.«
    Im Kreis der Assistenzärzte erhob sich verlegenes Gelächter.
    »Eine Bewertung von eineinhalb gibt es nicht«, erklärte Dr. Wettig.
    »Das ist mir bewußt«, sagte Abby. »Aber diese Patientin paßt nicht sauber in –«
    »Fahren Sie einfach mit Ihrem Untersuchungsbericht fort«, unterbrach er sie.
    Abby machte eine Pause und blickte in die Runde der Gesichter. Hatte sie es schon vermasselt? Sie war sich nicht sicher. Sie atmete tief und fuhr fort: »Sie hatte einen Blutdruck von neunzig zu sechzig und einen Puls von hundert. Sie war bereits intubiert. Sie zeigte keinerlei Spontanatmung. Sie wurde mit einer Frequenz von fünfundzwanzig Atemzügen pro Minute vollautomatisch beatmet.«
    »Warum haben Sie eine Frequenz von fünfundzwanzig gewählt?«
    »Um sie hyperventilieren zu lassen.«
    »Warum?«
    »Um den Kohlendioxidgehalt des Blutes zu senken und damit das Hirnödem zu minimieren.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Die Kopfuntersuchung zeigte, wie bereits erwähnt, sowohl offene als auch imprimierte Schädelfrakturen des linken Os parietale und Os temporale. Schwere Schwellungen und Riß-Quetsch-Wunden des Gesichtes erschwerten es, nach Brüchen der Gesichtsknochen zu suchen. Ihre Pupillen waren weit und reaktionslos. Ihre Nase und ihr Hals –«
    »Oculozephale Reflexe?«
    »Ich habe sie nicht überprüft.«
    »Nicht?«
    »Nein, Sir. Ich wollte eine Manipulation der Halswirbelsäule vermeiden. Ich mußte von möglichen Verschiebungen der Wirbelkörper ausgehen.«
    An seinem knappen Nicken erkannte sie, daß die Antwort akzeptabel gewesen war. Abby beschrieb ihre Untersuchungsergebnisse: die normalen Atemgeräusche, den reinen und regelmäßigen Herzschlag, den befundlosen Bauch.
    Als sie die neurologischen Ergebnisse zusammengefaßt hatte, fühlte sie sich selbstbewußter, fast kühn. Warum auch nicht? Sie wußte, was sie hier tat.
    »Welchen Eindruck hatten sie«, fragte Dr. Wettig, »bevor Sie die Röntgenergebnisse kannten?«
    »Aufgrund der reaktionslosen, mittelweiten Pupillen habe ich vermutet, daß möglicherweise eine Quetschung des Mittelhirns vorlag, wahrscheinlich ausgelöst durch einen akuten subduralen oder epiduralen Bluterguß.« Sie hielt inne und fügte mit leiser Gewißheit hinzu: »Was durch die Computertomographie bestätigt wurde. Sie zeigte eine große linksseitige Subduralblutung mit bedrohlicher Veränderung der Mittellinie.
    Die Neurochirurgie wurde hinzugezogen, um eine notfallmäßige Schädelöffnung durchzuführen.«
    »Sie sagen also, daß Ihr erster Eindruck absolut korrekt war, Dr. DiMatteo?«
    Abby nickte.
    »Dann wollen wir mal sehen, wie die Dinge heute morgen stehen«, bemerkte Dr. Wettig und trat an das Bett. Er leuchtete mit einer Untersuchungslampe in die Augen der Patientin.
    »Pupillen reaktionslos.« Er preßte seinen Fingerknöchel kräftig

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