Kalte Macht: Thriller (German Edition)
Ja … Ach ja. Er war ein wunderbarer Mensch. Der Beste. Er war der Beste von uns allen. Wirklich. Und das werde ich jedem sagen, der es hören will. Immer. Wir werden ihn nicht vergessen. Wir müssen jetzt alle stark sein. – Irmi. – Mein tiefes Beileid dir und deiner Familie. Alles, alles Gute. Ich melde mich wieder. Ja.« Sie hatte aufgelegt, ohne Auf Wiedersehen zu sagen. Verständlich in einer solchen Situation. Der Beste, denkt Brass. Das ist Albert Ritter zweifellos gewesen. Und doch hat er sich überschätzt. Ist zu weit gegangen. In der Politik gewinnt nicht immer der Beste.
Es klopft. »Ja?« Die Tür öffnet sich. Es ist nicht Frau Meyer, sondern sein Referent Kahlenbach. »Was gibt es, Kahlenbach?«
»Schlechte Nachrichten. Leider.«
»Ich höre.«
»Es geht um Dr. Ritter.«
»Was ist mit ihm?«
»Er ist vor einigen Minuten einem Attentat zum Opfer gefallen. Tot.«
Brass sieht Kahlenbach mit ausdruckslosem Blick an. »Tot? Ritter? Wer sagt das?«
»Unsere Leute vom Verfassungsschutz. Und vom LKA . Die Personenschützer haben vor Ort Wiederbelebungsversuche unternommen. Leider erfolglos.«
»Gott, der arme Ritter. Und seine Familie. Wie schrecklich.«
Kahlenbach nickt. »Ja. Schrecklich.«
EPILOG
E s fiel Henrik Eusterbeck nicht leicht ruhig zu bleiben, während er darauf wartete, zu seiner Frau gelassen zu werden. Doch er wollte die Visite nicht stören. Und er war sich auch nicht ganz sicher, ob er wirklich schon so gut auf den Beinen war, wie er vorgab. Sie hatten sich mit letzter Kraft ans Ufer retten können. Nein, er hatte es mit seinen letzten Kräften geschafft, während Natascha bewusstlos in seinen Armen hing. Zuerst hatte er geglaubt, sie sei tot. Immer wieder stieg seither das Bild ihres fahlen Gesichts vor ihm auf und versetzte ihn in Panik.
Außer ihm war kein Mensch im Wartezimmer. Es war aber auch bereits spät am Abend. Nach einer schieren Ewigkeit erlaubte ihm die Schwester endlich, sich an Nataschas Bett zu setzen. Reglos lag sie auf den weißen Laken, die Augen geschlossen, ihre Haut war blass, die Haare unter einer grünen Haube versteckt. Sacht legte er seine Hand auf die ihre. Die Schwester hatte ihm freundlicherweise den Fernseher angemacht, der seither ohne Ton schräg oben im Zimmer vor sich hin flimmerte. Henrik nahm nicht wirklich wahr, was er da sah. Nachrichten. Politik. Fußballergebnisse. Werbung. Lokales. Er starrte nur, in sich gekehrt, mit leerem Blick auf den Bildschirm, bis etwas doch seine Aufmerksamkeit fesselte. Es war wie ein Blitzschlag. Als gäbe es in seinem Gehirn einen Umriss, in den sich plötzlich ein Bild fügte, das ihm vor Augen stand. Es war das Bild eines dunkelhäutigen Mädchens, dessen unverwandter Blick aus dem Bildschirm zurückstarrte. Zu seinem Erstaunen konnte er genau spüren, wie sein Herz einmal aussetzte, ehe es weiterschlug. Er atmete tief ein, als hätte er seit Stunden keine Luft mehr bekommen, und lauschte, obwohl es nichts zu hören gab. Die Gestalten, die auf das Bild folgten, bewegten lautlos ihre Lippen. Dann kam ein Filmbeitrag: Eine Reporterin stand am Ufer der Spree, nicht weit von der Stelle, an der Henrik sich vor kurzem noch beinahe das Leben genommen hätte. Dann wieder das Bild des Mädchens, eingeblendet neben der Reporterin. Und die Bildunterschrift, die ihm mitten ins Herz schnitt: »Beim Spielen ertrunken«. Henrik schloss die Augen. Neugier ist eine tödliche Droge, dachte er.
Unvermittelt stand ein Arzt neben ihm und räusperte sich. »Herr Eusterbeck?«
Henrik sah auf. »Ja?«
»Sie haben Ihrer Frau das Leben gerettet«, sagte der Arzt und hielt ihm die Hand hin, als wollte er ihm zum bestandenen Seepferdchen gratulieren. Henrik Eusterbeck war so verwirrt, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Der Arzt lächelte ihm aufmunternd zu. »Ich weiß, was Sie denken. Nein, das ist kein Koma.«
»Danke, Herr Doktor. Was genau ist ihr denn geschehen? Ich meine, was für Verletzungen hat sie davongetragen?«
Der Arzt sah mit routinierter Geste auf das Krankenblatt. »Unterkühlung«, stellte er fest. »Einige Verletzungen an Händen und Handgelenken, alles zum Glück im unbedenklichen Bereich.« Dann lächelte er Henrik aufmunternd zu. »Tja, und … Ihre Frau hat eine Fehlgeburt erlitten. Leider.«
In dem Moment ging die Tür des Krankenzimmers auf, und eine Schwester steckte den Kopf herein. »Dr. Traub? Sie werden auf der Station erwartet.«
Henrik nahm die Worte des Arztes nur durch einen Schleier
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