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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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Wohlwollen begleitet und immer wieder durch gute Kontakte unterstützt. Er hatte Ritters Rat in Wirtschaftsfragen genutzt und ihn als einen Getreuen betrachtet. Diese Betrachtungsweise war offenbar einseitig. Albert Ritter hatte vor allem die Interessen seiner Bank im Auge – und seine eigenen. Vielleicht war er auch nur nicht willens, aus bloßer Kumpanei eine Politik zu unterstützen, die sich vor allem durch praktische Ungeschicklichkeit und den Mangel an großer Linie auszeichnete. Spätestens als er vehement für einen Schuldenerlass für die am stärksten verschuldeten Länder eintrat, rückte der Kanzler von ihm ab. Der Prozess der Entfremdung zog sich über zwei Jahre hin. Es ist kein Wunder, dass die Veränderung in den Beziehungen zwischen Brass und Ritter sich in dem Zeitraum vollzog, in dem Ritter sich in eine Position begab, die den Interessen aller anderen westlichen Volkswirtschaften massiv entgegenstand. Vor allem den Amerikanern konnte Ritters Vorstoß nicht gelegen kommen. Denn im Gegensatz zur Nationalbank hatten sie kaum Forderungen gegen die Schuldenstaaten abgeschrieben. Der Nationalbank kam hier das rigidere deutsche Bankenrecht zugute. Fluch auf der einen Seite, Segen auf der anderen: Es gab einfach nicht so viel zu verlieren wie etwa in den USA .
    Was für die deutsche Volkswirtschaft im Wettbewerb mit den anderen hochentwickelten Ländern von Vorteil war, das wirkte politisch jedoch kontraproduktiv: Die DDR stand vor dem Zusammenbruch, in Regierungskreisen hoffte man, den Niedergang des Ostblocks für eine deutsch-deutsche Annäherung nutzen zu können. Dafür aber brauchte man vor allem eines: das Wohlwollen und die Unterstützung der Amerikaner.
    Letztlich gab es nur zwei Möglichkeiten, die Angelegenheit im Sinne der Amerikaner und damit im Sinne der Bundesregierung zu lösen: Entweder änderte Ritter seine Auffassung, oder er wurde selbst beseitigt.
    Henrik Eusterbeck war so schockiert wie fasziniert. Plötzlich ergab alles, was er und Natascha herausgefunden hatten, einen Sinn. Plötzlich passte alles zusammen. Ja, die Kanzlerin war wirklich eine Ingenieurin der Macht, die cleverste und skrupelloseste Politikerin auf dem Parkett. Und der Witz war: Sie tat das alles fraglos aus der tiefen Überzeugung heraus, dass es »das Richtige« war. Henrik blätterte in den Artikeln und Notizen, die dem Aufsatz von Natascha beigefügt waren. Auf etlichen Fotos erkannte er bekannte Gesichter. Rau und Frey fielen ihm besonders auf, die »Bordell-Connection«, die Typen, die ihn abgehört und in die Venusfalle hatten laufen lassen. Ihm war klar, dass die beiden tief in die Machenschaften, die Natascha da beschrieb, verstrickt sein mussten. Wahrscheinlich waren sie es gewesen, die für Brass den Job erledigt hatten, um den Amerikanern einen Gefallen zu tun. Auf einem der Fotos stand der US -Außenminister John Butcher neben Brass, Rau und Ritter. Auf einem anderen war er im Gespräch mit Ritter zu sehen. Henrik las die Bildunterschrift: » US -Finanzminister Butcher diskutierte am Rande der Konferenz mit Nationalbank-Chef Ritter«. Da ging ihm auf, dass Butcher ja nicht nur der vielleicht wichtigste US -Außenminister in der deutschen Geschichte geworden, sondern auch eng mit der Wall Street verflochten war. Und Stabschef im Weißen Haus war Butcher ebenfalls einst gewesen. Was also lag näher für ihn, als im internationalen Politik-Business auf eine geheimdienstliche Intervention zu Gunsten der amerikanischen Finanzindustrie zu bestehen. Das Druckmittel gegen Brass hatte er gehabt: die Zustimmung zur deutsch-deutschen Wiederannäherung. Und Brass hatte geliefert. Nämlich den Kopf von Ritter.
    Henrik Eusterbeck lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Durch die Bäume meinte er, jemanden auf dem Eis zu sehen. Natascha vielleicht? Er nahm den Feldstecher zur Hand, der immer noch am gleichen Platz stand, an dem er ihn abgestellt hatte, nachdem er Michelle im See hatte baden sehen. Dann hörte er einen Knall.
    *
    »Sehr rücksichtsvoll eigentlich, dass Sie aufs Eis gegangen sind.« Lafrage hob die Pistole und zielte in Nataschas Richtung. »Ich bin kein Spezialist. Aber ich nehme an, diese weißen Streifen auf dem Eis sind so etwas wie …« Er suchte das Wort. »Wie nennt ihr Deutschen das … Sollbruchstellen! Ja. Das muss es wohl sein. Großartiges Wort. Das Land der Dichter, eindeutig. Sogar wenn es um technische Begriffe geht.« Und dann, unvermittelt, schoss er. Auf das Eis. Natascha spürte,

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