Kalte Schulter - heisse Kuesse
andere Stimme.
„Gabe. Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Besuch hast?“ Chastity hasste die übertriebene Fröhlichkeit, mit der Cynthia sprach.
Langsam drehte sie sich um und sah, wie die ältere Frau erst die Augen überrascht aufriss, bevor sie sie missbilligend zusammenkniff. „Guten Morgen, Cynthia.“ Chastity bemühte sich, so ruhig wie möglich zu klingen.
„Du.“ Cynthias Blick wanderte zu Chastitys Hand, die Gabe inzwischen fest umschlossen hielt. „Gabriel. Was geht hier vor?“
Chastity versuchte, ihre Hand zu befreien, doch er hielt sie fest. Vermutlich fürchtete er, dass Chastity davonlaufen könnte.
Eine Sorge, die nicht unbegründet war.
„Chastity und ich hatten gestern Abend etwas zu bereden. Weil es spät geworden war und heftig gewitterte, ist sie über Nacht hiergeblieben.“
„Was hast du mit dieser Frau zu bereden?“
Chastity sah zu Gabe und flehte ihn stumm an, es seiner Mutter nicht zu erzählen. Jedenfalls noch nicht. Nicht solange sie und Cynthia im selben Zimmer waren, am liebsten nicht, solange sie sich auf demselben Planeten aufhielten.
Er nickte kaum merklich, bevor er sich wieder zu seiner Mutter drehte. „Sie heißt Chastity.“ Dass er sie verteidigte, überraschte Chastity, denn sie war sich ziemlich sicher, dass alle in der Familie, abgesehen von Tom, sie als „diese Frau“ bezeichneten.
„Meine Freunde nennen mich Chass.“ Sie bedachte Cynthia mit einem falschen Lächeln und erwartete fast, ein wütendes Zischen zu hören. Doch natürlich war Cynthia viel zu gut erzogen, um so ein Geräusch von sich zu geben. Stattdessen presste sie die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.
„Und worüber musstet ihr so dringend sprechen?“
Chastity hielt den Atem an. Nach einer viel zu langen Pause sagte Gabe ruhig: „Entschuldige, aber das geht dich nichts an.“
Erleichtert drückte Chastity seine Hand. Sie spürte, dass er den Druck erwiderte, bevor er sie losließ.
Chastity nutzte die Gelegenheit. „Ich würde ja gern sagen, es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, Cynthia, aber dass es eine Freude war, kann wohl keine von uns behaupten. Und jetzt muss ich wirklich gehen.“ Sie begann nicht zu laufen, ging nicht einmal übermäßig schnell, als sie zum Fahrstuhl marschierte – aber das hieß nicht, dass sie es nicht gern getan hätte.
Gerade wollte sie auf den Fahrstuhlknopf drücken, als Gabe seine Hand dazwischenschob. „Kann ich dich nicht überreden, zum Frühstück zu bleiben?“, fragte er höflich.
„Ich glaube, die Antwort darauf kennst du bereits. Sie klingt ungefähr so: nicht in einer Million Jahren.“
Er drückte den Knopf für sie. „Cynthia hat auch eine andere Seite.“
„Dessen bin ich mir sicher.“
„Ich melde mich“, sagte Gabe noch, als Chastity in den Fahrstuhl trat.
„Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen.“
Um sein Versprechen einzulösen, stand Gabe eine Woche später im Schatten eines großen Baumes, als Chastity aus dem gläsernen Gebäude trat, in dem sie jetzt arbeitete. Es war wirklich erstaunlich. Trotz der Mittagshitze wirkte sie wie eine frische Brise. Ihr Haar war wie immer perfekt frisiert, die Lippen hatten die Farbe einer reifen Pflaume, und der V-Ausschnitt der hellen Bluse enthüllte ein kleines Stück helle Haut. Der schwarze Rock, der ihre Hüfte und den leicht gerundeten Bauch bedeckte, reichte ihr bis zu den Knien. Darunter traten wohlgeformte Waden und schmale Knöchel zutage. Aus den hochhackigen Sandalen leuchteten Zehen in der gleichen Farbe wie der Lippenstift.
Sie glich einer unberührten Insel inmitten eines Meeres von geplagten Büroangestellten, die durch die Straßen hasteten, um das Beste aus ihrer Mittagspause herauszuholen. Auch jetzt verspürte Gabe wieder das Bedürfnis, sich schützend zwischen sie und die Welt, beziehungsweise, so wie neulich, zwischen sie und seine Mutter zu stellen.
Obwohl sie durchaus in der Lage war, ihre eigenen Interessen zu vertreten. War Tom nicht das beste Beispiel? Heirate einen reichen Mann und führe ein sorgenfreies Leben, ganz einfach. Zudem war sie clever und intelligent. Davon hatte Gabe sich überzeugen können, als sie für ihn gearbeitet hatte.
Bevor er sie in Toms Abteilung versetzt hatte, weil er sich zu ihr hingezogen fühlte. Es waren Gefühle gewesen, die zwischen Chef und Angestellter nicht angebracht waren, zumal sie anscheinend auf Gegenseitigkeit beruhten.
Zumindest hatte er das geglaubt. Doch Chastity war gerade einmal
Weitere Kostenlose Bücher